Prolog: Die Jugendjahre in Avallach
Avallach, Toussaint. Einige Jahre vor der Schwertleite
Die Sonne von Toussaint neigte sich dem Horizont entgegen und tauchte die Hügel um Avallach in ein warmes, goldenes Licht. In der Ferne glitzerten die Olivenhaine und die tiefen Wälder wie kostbare Edelsteine. Die Burg Avallach, der altehrwürdige Stammsitz der Familie du Lac, erhob sich majestätisch über dem ruhigen, tiefblauen See, der das Herzstück der Ländereien umgab. Die Mauern der Burg, aus grauem Stein und mit moosbewachsenen Zinnen, schienen die Geschichten und Legenden der Familie zu bewahren, die hier seit Jahrhunderten lebte.
Aramis du Lac, der jüngere Sohn des Hauses, stand auf den Zinnen und ließ seinen Blick über die vertraute Landschaft schweifen. Die Stille des frühen Abends war nur durch das leise Plätschern des Wassers und das entfernte Rufen der Dorfbewohner unterbrochen, die ihre Arbeit für den Tag beendeten. Doch in Aramis‘ Brust brannte eine Unruhe, die sich nicht beruhigen ließ.
Er war noch jung, gerade fünfzehn Jahre alt, aber bereits hatte er sich einen Ruf im Hause du Lac erarbeitet. Sein Schwertarm war stark, sein Auge scharf, und seine Bewegungen hatten eine Geschmeidigkeit, die viele in seinem Alter nicht besaßen. Nathaniel Delacroix, der erfahrene Ritter, der ihm seit seiner Kindheit als Mentor diente, hatte ihm oft gesagt, dass er ein Naturtalent sei. Doch Aramis wusste, dass Talent allein nicht ausreichte. Noch war er kein Ritter, und der Weg dorthin war lang und voller Herausforderungen.
Im Innenhof der Burg beobachtete er, wie Nathaniel und Ramon, Aramis‘ älterer Bruder, ein Übungssparring abhielten. Ramon, zwei Jahre älter als Aramis, war in vielerlei Hinsicht das Vorbild, an dem sich Aramis messen musste. Ramon war kräftig gebaut, mit einer natürlichen Autorität, die ihn in den Augen vieler bereits wie einen vollwertigen Ritter erscheinen ließ. Als die beiden Kämpfer zum Ende kamen, nahm Aramis sein hölzernes Übungsschwert in die Hand und schritt langsam die Treppen hinunter in den Hof. Nathaniel nickte Aramis zu, als dieser näher trat.
„Bist du bereit, Junge?“ fragte Nathaniel mit einem Lächeln, das zugleich herausfordernd und ermutigend war.
Aramis nickte ernst. Er wusste, dass dies ein Moment war, in dem er zeigen musste, was in ihm steckte. Nathaniel war nicht nur ein Lehrer, sondern auch ein strenger Prüfer, der keine Nachlässigkeit duldete.
Der Kampf begann, und sofort war klar, dass Aramis sich nicht leicht geschlagen geben würde. Seine Bewegungen waren schnell und präzise, und er wusste, wie er seine Angriffe und Verteidigungen geschickt einsetzen konnte. Nathaniel, ein Veteran unzähliger Schlachten, prüfte ihn mit harten Hieben und unerwarteten Manövern, doch Aramis wich geschickt aus oder blockte die Schläge ab.
Ramon, der den Kampf beobachtete, konnte nicht anders, als anerkennend zu nicken. Sein jüngerer Bruder hatte Talent, daran gab es keinen Zweifel. Doch ebenso wie Nathaniel erkannte er, dass Aramis noch nicht am Ende seines Potentials angekommen war. Da war eine gewisse Unruhe in Aramis‘ Bewegungen, ein Anzeichen dafür, dass er sich selbst noch nicht vollständig vertraute.
Nathaniel setzte Aramis weiterhin unter Druck, ließ ihm kaum Zeit zum Verschnaufen. Doch anstatt zu ermüden, schien Aramis mit jedem Schlag, den er parierte, stärker zu werden. Er fand seinen Rhythmus, seine Angriffe wurden sicherer, seine Verteidigung fester. Schließlich gelang es ihm sogar, Nathaniel zu einem Schritt zurück zu zwingen, als er mit einem überraschend schnellen Hieb dessen Schwertarm traf.
Nathaniel hielt inne und ließ sein Schwert sinken, ein anerkennendes Lächeln auf den Lippen. „Gut gemacht, Aramis,“ sagte er, während er seinen Arm rieb, wo Aramis‘ Schlag ihn getroffen hatte. „Du hast das Feuer eines Ritters in dir. Aber denke daran, dass der Weg zu wahrem Ruhm nicht nur durch den Schwertarm führt. Du musst auch lernen, Geduld zu haben und deinen Geist zu schärfen.“
Aramis nickte, das Schwert noch in der Hand. Er spürte den Schweiß, der ihm über die Stirn lief, und die Müdigkeit in seinen Muskeln, doch zugleich erfüllte ihn eine tiefe Zufriedenheit. Er hatte sich bewiesen, aber er wusste, dass dies erst der Anfang war.
Ramon trat zu ihm und klopfte ihm auf die Schulter. „Du hast es in dir, kleiner Bruder,“ sagte er mit einem breiten Grinsen. „Aber vergiss nicht, dass es mehr als nur Talent braucht, um ein echter Chevalier zu werden. Du musst dein Herz genauso hart trainieren wie deinen Körper.“
Die Sonne ging langsam hinter den Hügeln unter, und der Innenhof der Burg Avallach versank in einem sanften Dämmerlicht. Aramis blickte zu seinem Bruder auf, in dessen Worten eine Weisheit lag, die er noch nicht ganz erfassen konnte. Doch er war entschlossen, weiterzulernen, stärker zu werden und sich das zu verdienen, was seine Familie von ihm erwartete.
Mit diesen Gedanken ließ Aramis den Abend hinter sich, während die ersten Sterne am Himmel erschienen. Noch wusste er nicht, welche Prüfungen und Herausforderungen auf ihn warteten, aber er fühlte sich bereit, ihnen entgegenzutreten. Der Weg zum Ritterschlag war lang, doch mit jedem Tag, jeder Prüfung, kam er ihm ein Stück näher.
Die Vorbereitung
Avallach, Toussaint. Der Tag der Schwertleite
Der Morgennebel lag noch wie ein dünner Schleier über den Hügeln von Avallach, als Aramis du Lac in den Hof der Burg trat. Die ersten Sonnenstrahlen durchbrachen die Dämmerung und tauchten die Welt in ein warmes, goldenes Licht. Heute war der Tag, auf den er so lange gewartet hatte. Der Tag, an dem er endgültig vom Knappen zum Ritter geschlagen werden sollte.
Aramis’ Herz schlug schnell, als er den Innenhof betrat, wo Nathaniel Delacroix bereits auf ihn wartete. Der alte Ritter stand mit verschränkten Armen da, sein Blick war ernst, doch in seinen Augen lag ein Funkeln, das Aramis in den letzten sieben Jahren gut kennengelernt hatte. Es war das Funkeln von Stolz und Hoffnung, gemischt mit einem Hauch von Wehmut.
„Du bist früh wach, Junge,“ sagte Nathaniel mit seiner rauen Stimme, als Aramis sich ihm näherte. „Ein guter Ritter muss lernen, den Tag zu begrüßen, bevor die Sonne es tut.“
Aramis nickte und trat näher, um seinen Mentor zu begrüßen. Nathaniel, ein Mann von unerschütterlicher Stärke und Weisheit, hatte ihn seit dem ersten Tag seiner Knappenzeit geführt, geformt und gelehrt. Heute würde Nathaniel ihm die letzten Weisheiten mit auf den Weg geben, bevor er sich dem Ritterschlag stellen würde.
„Bist du bereit, Aramis?“ fragte Nathaniel, während er Aramis’ Gestalt musterte. Der Junge, den er einst unter seine Fittiche genommen hatte, war nun zu einem jungen Mann herangewachsen, dessen Schultern die Last des Rittertums tragen konnten.
„Ich bin es, Meister,“ antwortete Aramis und spürte, wie seine Aufregung in ihm aufstieg. „Aber selbst nach all den Jahren des Trainings fühle ich, dass es noch so viel zu lernen gibt.“
Nathaniel nickte langsam. „Das Gefühl wird dich nie verlassen, Junge. Ein wahrer Ritter weiß, dass das Lernen niemals endet. Doch ich habe dir alles beigebracht, was ich konnte. Nun liegt es an dir, das Wissen anzuwenden und deinen eigenen Weg zu finden.“
Er führte Aramis zu einer Bank am Rande des Innenhofs, wo sie sich niederließen. Für einen Moment schwiegen sie, während Nathaniel den Himmel betrachtete, der allmählich in das Blau des Tages überging. Schließlich wandte er sich wieder Aramis zu.
„Erinnerst du dich an die fünf Tugenden der Ritter von Toussaint, über die wir oft gesprochen haben?“ fragte Nathaniel.
Aramis nickte erneut. Die fünf Tugenden waren das Rückgrat seines gesamten Trainings gewesen, die Grundpfeiler, auf denen jeder wahre Ritter sein Leben aufbaute.
„Zähle sie mir auf,“ forderte Nathaniel ruhig.
Aramis atmete tief durch und begann: „Ehre, Weisheit, Tapferkeit, Mitgefühl und Treue.“
Nathaniel nickte zufrieden. „Gut. Diese Tugenden sind mehr als nur Worte, Aramis. Sie sind der Kern dessen, was es bedeutet, ein Ritter von Toussaint zu sein. Sie sind die Lehren, die uns unser Stammvater Launcelot du Lac hinterlassen hat. In seinem Schatten leben wir, aber wir sind auch seine Erben. Sein Name ist der Grund, warum die Familie du Lac in ganz Toussaint einen so klangvollen Ruf hat.“
Aramis senkte den Blick, während er über die Worte seines Mentors nachdachte. Die Geschichten von Launcelot du Lac waren ihm seit seiner Kindheit vertraut. Launcelot, einer der größten Ritter von Toussaint, der unzählige Schlachten geschlagen und viele Heldentaten vollbracht hatte, war vor Generationen auf mysteriöse Weise verschwunden. Die Legende besagte, dass er an jenem Tag auf einer Landzunge am See Avallach verschwand, genau dort, wo heute die Stammburg der du Lacs stand.
„Erinnerst du dich an die Bedeutung jeder dieser Tugenden?“ fragte Nathaniel weiter, seine Augen fest auf Aramis gerichtet.
„Ehre,“ begann Aramis und sah seinem Mentor direkt in die Augen, „ist der Stolz und die Würde, die ein Ritter in all seinen Taten zeigt. Sie ist das Band, das uns mit unserer Familie und unseren Ahnen verbindet.“
„Weisheit,“ fuhr er fort, „ist die Fähigkeit, kluge Entscheidungen zu treffen und das Richtige zu tun, auch wenn der Weg schwer ist. Ein Ritter muss nicht nur stark, sondern auch klug sein.“
„Tapferkeit,“ sagte er und hob den Kopf, „ist der Mut, sich jeder Gefahr zu stellen, ohne Rücksicht auf die eigenen Ängste. Ein Ritter flieht nicht vor dem Kampf.“
„Mitgefühl,“ sprach er weiter, „ist das Herz des Ritters. Es ist die Fähigkeit, Mitleid mit den Schwachen zu empfinden und den Bedürftigen zu helfen. Ein Ritter muss gerecht und gütig sein.“
„Und Treue,“ beendete er die Aufzählung, „ist das unerschütterliche Versprechen, seinem Herrn, seiner Familie und seinen Idealen treu zu bleiben. Ein Ritter bricht niemals seinen Eid.“
Nathaniel lächelte, als Aramis geendet hatte. „Sehr gut, Aramis. Diese Tugenden sind nicht nur leere Worte, sie sind das Fundament, auf dem du dein Leben als Ritter aufbauen wirst. Heute ist der Tag, an dem du dein eigenes Vermächtnis beginnst.“
Nathaniel stand auf und legte eine Hand auf Aramis’ Schulter. „Es ist Zeit, Junge. Der Herzog erwartet dich. Möge dein Herz stark und dein Geist klar sein, wenn du deinen Eid schwörst.“
Aramis erhob sich und atmete tief durch. Heute würde er den ersten Schritt in ein Leben als Ritter von Toussaint machen. Ein Leben, das er Launcelot du Lac und den Idealen seiner Familie widmen würde. Mit einem letzten, entschlossenen Blick auf Nathaniel folgte er ihm aus dem Innenhof und hinaus in die Welt, die auf ihn wartete.
Die Schwertleite
Beauclair, Toussaint. Die Große Halle des Herzogspalastes
Die Morgensonne hatte sich bereits über die Mauern von Beauclair erhoben und tauchte die Stadt in ein schönes Licht. Doch die Wärme der Sonne drang kaum in die Große Halle des Herzogspalastes, wo die hohen Steinwände die kühle Morgenluft festhielten und das leise Echo der Schritte verstärkten. Es war ein Ort, der von Geschichte und Tradition durchdrungen war, ein Ort, an dem sich das Schicksal der großen Häuser Toussaints oft entschieden hatte.
Aramis du Lac stand in voller Rüstung im Zentrum der Halle, das schwere Metall schimmerte glänzend im gedämpften Licht, das durch die hohen Fenster drang. Um ihn herum waren die bedeutendsten Ritter und Adeligen Toussaints versammelt, ihre Gesichter ernst, ihre Blicke aufmerksam auf ihn gerichtet. Jeder von ihnen hatte diese Zeremonie schon einmal erlebt, entweder als Ritter oder als Zuschauer, doch heute war es Aramis, der im Mittelpunkt stand.
Das Wappen der du Lacs prangte auf dem Medallion auf seiner Brust – die drei roten Balken auf weißem Grund auf der linken Seite und der schwarze Ritter zu Pferd auf goldenen Grund. Es war ein stolzes Symbol, eines, das ihn immer an die Last und den Ruhm seiner Familie erinnerte.
Der Herzogspalast war heute besonders prächtig geschmückt. Die Wände waren mit schweren Tüchern in den Farben Toussaints behangen, und der Duft von frischen Blumen mischte sich mit dem allgegenwärtigen Geruch von Stein und altem Holz. Die Halle, die sonst von den Geräuschen des Hoflebens erfüllt war, lag in einer feierlichen Stille. Nur das leise Knistern der Fackeln war zu hören, das in der Luft hing wie das Wispern längst vergangener Zeiten.
Am Ende der Halle, auf einem erhöhten Podest, stand Herzog Raymund selbst, umgeben von seinen engsten Beratern. Er war ein Mann von stattlicher Erscheinung, mit scharf geschnittenen Gesichtszügen und einem Ausdruck, der sowohl Weisheit als auch Härte verriet. Seine Augen, dunkel wie die Tiefen eines unerschlossenen Sees, ruhten mit einer Mischung aus Interesse und Erwartung auf Aramis.
Nathaniel Delacroix, sein Rittervater und Mentor, stand an seiner Seite, wie immer eine beruhigende Präsenz inmitten der ehrfurchtgebietenden Umgebung. Seine Augen funkelten vor Stolz, doch seine Haltung blieb streng und diszipliniert.
„Geh voran, Junge“, flüsterte Nathaniel, und Aramis spürte eine Hand auf seiner Schulter. „Es ist an der Zeit.“
Mit einem Nicken trat Aramis nach vorne, seine Stiefel hallten auf dem Steinboden, als er sich dem Podest würdevoll näherte. Die Menge beobachtete ihn schweigend, jeder Atemzug, jedes Räuspern wurde sofort von der kühlen Luft verschluckt.
Der Herzog stand auf, als Aramis vor ihm kniete, und ein würdevoller Ausdruck trat auf sein Gesicht. Die Zeremonie der Schwertleite war ein heiliger Akt, ein Moment, in dem ein junger Mann von einem Knappen zu einem Ritter erhoben wurde. Es war ein Moment der Transformation, des Übergangs, und er verlangte sowohl Demut als auch Mut.
Der Herzog hob sein Schwert, eine prächtige Klinge mit einem Griff aus vergoldetem Silber, das Symbol seiner Macht und seines Amtes. Mit langsamen, bedächtigen Bewegungen legte er die Klinge auf Aramis’ rechte Schulter.
„Aramis du Lac“, begann Herzog Raymund mit einer Stimme, die durch die Halle hallte, „heute trittst du in die Reihen der Ritter Toussaints ein. Bist du bereit, den Eid zu schwören und die Tugenden, die unser Land so lange beschützt haben, zu ehren?“
Aramis hob den Kopf und sah dem Herzog in die Augen. Sein Herz schlug hart in seiner Brust, doch seine Stimme war fest, als er antwortete: „Ja, mein Herzog. Ich schwöre es.“
Der Herzog neigte leicht den Kopf und ließ das Schwert auf Aramis’ Schultern ruhen, während er die heiligen Worte sprach. „Im Namen des Herzogtums Toussaint und im Angesicht der edlen Versammlung schwörst du, Aramis du Lac, die Ehre zu wahren, Weisheit zu zeigen, Tapferkeit im Angesicht der Gefahr zu bewahren, Mitgefühl gegenüber den Schwachen zu zeigen und Treue gegenüber deinem Herrn, deinem Land und deiner Familie zu halten. Schwörst du dies bei deinem Leben und deiner Seele?“
Aramis spürte, wie sich alle Blicke in der Halle auf ihn richteten, doch seine Stimme zitterte nicht, als er laut und deutlich antwortete: „Ich schwöre es, bei meinem Leben und meiner Seele.“
Mit diesen Worten erhob der Herzog das Schwert über den Kopf von Aramis und ließ die Klinge schließlich sanft auf Aramis’ linke Schulter sinken, bevor der Herzog sie zurückzog und sie in die Scheide steckte.
„Dann stehe auf, Aramis du Lac“, sagte der Herzog, „und erhebe dich als Ritter von Toussaint.“
Aramis erhob sich, seine Bewegungen waren fest und sicher. In diesem Moment fühlte er das Gewicht der Rüstung kaum noch – es war, als würde der Stahl selbst seine Kraft spüren und ihm Stärke verleihen. Der Applaus brach aus, gefolgt von den Jubelrufen der Versammelten. Doch für Aramis zählte in diesem Moment nur das Gefühl, das ihn durchströmte. Er hatte es geschafft. Er war jetzt ein Ritter.
Nathaniel trat vor, sein Gesicht zeigte einen seltenen Ausdruck von Freude. „Gut gemacht, Junge“, sagte er leise, als er Aramis die Hand auf die Schulter legte. „Du hast es dir verdient.“
Aramis nickte, ein leises Lächeln auf den Lippen, doch seine Gedanken waren bereits bei dem, was nun folgen würde. Der Ritterschlag war nur der erste Schritt. Jetzt begann der wahre Weg des Ritters – ein Weg voller Herausforderungen, voller Gefahren, aber auch voller Möglichkeiten, seinen Namen in die Annalen von Toussaint einzuprägen.
Während die Feierlichkeiten begannen und die Gäste sich zum Festmahl begaben, blieb Aramis noch einen Moment stehen und ließ den Blick über die Große Halle schweifen. Die Wände schienen noch immer die Stimmen und Geschichten derer zu tragen, die vor ihm hier gestanden hatten. In diesen Hallen war Geschichte geschrieben worden, und heute war ein neues Kapitel hinzugefügt worden.
Mit Nathaniel an seiner Seite verließ er schließlich die Halle, bereit, sein Schicksal als Ritter von Toussaint anzunehmen.
Aufbruch zur ersten Quest
Die Burg Avallach, Toussaint. Der Hof des Hauses du Lac
Der Morgen war noch jung, als sich die ersten Sonnenstrahlen über die Hügel Toussaints legten und das Anwesen der du Lacs in ein warmes, goldenes Licht tauchten. Die Luft war erfüllt von einem leichten Dunst, der die feuchten Wälder und sanften Hügel umgab und die Burg Avallach in einen fast mystischen Schleier hüllte. Es war ein friedlicher, fast schon erhabener Anblick, der jedoch von der bevorstehenden Abreise überschattet wurde.
Aramis stand im Innenhof der Burg, seine Rüstung funkelte im Morgenlicht, und an seiner Seite schnaubte Berek, sein stolzes weißes Schlachtross. Das Pferd, das ihm seit seiner Knappenzeit vertraut war, scharrte unruhig mit den Hufen und schien die bevorstehende Reise genauso zu spüren wie Aramis selbst. Die Verbindung zwischen Reiter und Pferd war stark, sie hatten gemeinsam trainiert und sich in simulierten Kämpfen bewiesen, und nun würden sie sich gemeinsam auf ihre erste große Quest begeben.
Die Aufbruchsstimmung lag schwer in der Luft. Diener huschten geschäftig umher, um die letzten Vorbereitungen zu treffen, Waffen und Proviant auf das Packpferd zu laden und sicherzustellen, dass alles für die Reise bereit war.
Aramis jedoch konnte seine Gedanken nicht von der nahenden Trennung abwenden. Er würde die vertrauten Mauern von Avallach, die Wälder und Felder, die er sein ganzes Leben lang gekannt hatte, zum ersten Mal für längere Zeit verlassen. Die Verantwortung, die nun auf seinen Schultern lastete, war neu, schwer und zugleich aufregend.
„Aramis.“ Die Stimme seines Bruders Ramon holte ihn aus seinen Gedanken. Ramon trat vor, gehüllt in eine prächtige, aber praktische Rüstung, die seinen Status als Erbe der Familie du Lac und zukünftigen Grafen zeigte. Sein Blick war ernst, doch in seinen Augen lag ein Hauch von Stolz.
„Ramon,“ antwortete Aramis, während er sich umdrehte, um seinem Bruder entgegenzutreten. Ramon legte eine Hand auf seine Schulter und sah ihm fest in die Augen.
„Es ist dein erster Auftrag als Ritter. Mach uns Ehre, Aramis. Der Name du Lac trägt viel Gewicht, und nun ist es an dir, ihn weiterzutragen.“ Ramon sprach mit einer gewissen Dringlichkeit, die Aramis nicht entging. Doch dahinter lag auch ein tiefer Respekt – nicht nur für den Titel, sondern für Aramis als seinen Bruder und nun auch als seinesgleichen.
„Ich werde alles tun, um unserem Namen gerecht zu werden,“ erwiderte Aramis mit einem festen Nicken. Ein schwaches Lächeln huschte über Ramons Lippen. „Und du pass auf dich auf, kleiner Bruder. Die Welt da draußen ist nicht so romantisch, wie die Lieder sie darstellen.“
Nathaniel Delacroix, der stoische Mentor, trat nun ebenfalls vor. Seine Bewegungen waren ruhig und kontrolliert, wie immer, und sein Gesicht war eine Maske aus unerschütterlicher Ruhe. Doch in seinen Augen lag eine unausgesprochene Wärme, als er seinen Schützling ansah.
„Du bist bereit, Aramis,“ begann Nathaniel. „Die Tugenden, die ich dir beigebracht habe, werden dich leiten. Doch vergiss nie, dass ein Ritter nicht nur mit seinem Schwert kämpft, sondern auch mit seinem Herzen. Du wirst Prüfungen begegnen, die dich in Versuchung führen, deinen Weg zu verlassen. Bleib standhaft, sei klug und halte an deinen Idealen fest.“
Aramis nickte, dankbar für die Worte seines Lehrmeisters. „Ich werde deinen Lehren treu bleiben, Nathaniel. Danke für alles, was du für mich getan hast.“
Nathaniel legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Die Reise ist nicht das Ziel, Aramis. Es ist der Weg, den du gehst, der zählt. Vergiss das nicht.“
Zum letzten Mal wandte Aramis sich nun seinen Eltern zu. Seine Mutter, deren Gesicht von Sorge und Stolz gezeichnet war, trat vor und umarmte ihn fest. „Möge die Herrin vom See über dich wachen, mein Sohn. Bleib uns gesund und komm zurück.“
Sein Vater, das greise Oberhaupt des Hauses du Lac, nickte ihm ernst zu. „Du trittst in große Fußstapfen, Aramis. Die deiner Vorfahren und jene von Launcelot du Lac. Ehre ihre Namen und schaffe dir deinen eigenen.“
Aramis versprach sich selbst, dass er dieses Erbe nie verraten würde. Mit einem letzten Blick auf seine Familie und die vertrauten Mauern von Avallach schwang er sich in den Sattel von Berek. Der Hengst wieherte leise und stampfte mit den Hufen, als ob er den Drang verspürte, loszustürmen und die Welt zu erkunden.
Mit einem knappen Befehl setzte Aramis sich in Bewegung. Berek trabte vorwärts, und die Rüstung des jungen Ritters klirrte leise im Takt der Hufschläge. Hinter ihm verblassten die Silhouetten seiner Familie, der Burg und alles, was ihm bisher vertraut gewesen war. Vor ihm lag die offene Straße, voller Gefahren und Abenteuer, aber auch voller Gelegenheiten, sich zu beweisen.
Die Landschaft Toussaints breitete sich vor ihm aus wie ein unbeschriebenes Blatt, bereit, von ihm beschrieben zu werden. Er war nun ein fahrender Ritter, der Name du Lac war mehr als nur eine Bürde – es war eine Ehre, die er bereit war, in die Welt zu tragen. Mit jedem Schritt, den Berek machte, fühlte Aramis, wie die Last der Verantwortung ihn verließ und ein Gefühl der Freiheit ihn erfüllte.
Die erste Quest seines Lebens als Ritter hatte begonnen.
Die Ankunft an der Grenzfeste Vedette
Die nördlichen Ausläufer Toussaints. Am späten Nachmittag
Die Sonne stand tief am Horizont und tauchte die hügelige Landschaft der nördlichen Grenzregion Toussaints in ein sanftes, goldrotes Licht. Die Weingärten und Olivenhaine, die weiter südlich die Landschaft dominierten, wichen hier einer raueren, kargeren Natur. Die sanften Hügel wurden zu schroffen Anhöhen, die Bäume dichter und die Winde kälter. Aramis spürte die Veränderung in der Luft, als er tiefer in das Grenzgebiet ritt, wo die idyllische Ruhe Toussaints allmählich der rauen Realität einer Grenzregion wich.
Vor ihm erhob sich die Grenzfeste Vedette, eine trutzige, alte Bastion, die sich an den steinigen Hang eines Hügels klammerte. Die Mauern waren von der Zeit gezeichnet, mit Flechten und Moosen bewachsen, doch sie strahlten noch immer eine unerschütterliche Stärke aus. Türme ragten in den Himmel, ihre Zinnen in den letzten Sonnenstrahlen leuchtend. Es war kein prächtiges Schloss wie Beauclair, sondern ein Bollwerk, das dafür gebaut war, standzuhalten – gegen Wetter, Zeit und Feinde.
Aramis lenkte Berek den steinigen Pfad hinauf, der zur Festung führte. Der Weg war schmal und holprig, gesäumt von dichten Nadelbäumen und dornigem Gestrüpp, das nur selten einem Wanderer oder einem Reiter Platz machte. Berek setzte seine Hufe vorsichtig auf die steinigen Abschnitte des Pfades, wobei er sicherstellte, dass weder er noch sein Reiter das Gleichgewicht verloren.
Als die Festung näher rückte, konnte Aramis die ersten Anzeichen von Leben erkennen. Soldaten patrouillierten auf den Mauern, ihre Helme und Rüstungen reflektierten das abnehmende Tageslicht. Das Klirren von Kettenhemden und das dumpfe Geräusch von Fußtritten hallte in der stillen Luft wider, nur gelegentlich unterbrochen vom Rufen eines Offiziers, der Befehle erteilte. Ein einsamer Wachturm, der am äußersten Rand des Hügels stand, schien die Region unermüdlich zu überwachen, die Augen immer auf das unruhige Land jenseits der Grenze gerichtet.
Aramis zog die Zügel an, als er sich dem Haupttor der Festung näherte. Zwei Wächter in schlichten, aber robusten Rüstungen traten vor, die Hellebarden in den Händen. Sie musterten den Ankömmling mit misstrauischen Blicken, doch als sie das Wappen der du Lacs auf seiner Brust erkannten veränderte sich ihre Haltung sofort. Einer der Soldaten trat respektvoll einen Schritt zurück, während der andere das Tor mit einem donnernden Schlag an die massiven Holzplanken öffnete.
„Willkommen in Vedette, Chevalier du Lac,“ grüßte der Wachmann mit einem Nicken. „Ihr seid zu dieser Stunde eine seltene, aber willkommene Ankunft.“
Aramis nickte dem Mann höflich zu, bevor er durch das Tor in den Innenhof der Feste ritt. Berek setzte seine Schritte ruhig und gleichmäßig, während sich der junge Ritter umblickte. Der Hof war schlicht, aber funktional, mit steinernen Stallungen an einer Seite und einem Trainingsplatz auf der anderen. Ein Dutzend Soldaten, die sich gerade von ihrem Dienst erholten, hoben ihre Köpfe und sahen den Neuankömmling neugierig an. Ihre Gespräche verstummten, und Aramis spürte die wachsamen Blicke, die ihm folgten, als er im Zentrum des Hofes zum Stehen kam.
Aus einem der steinernen Gebäude trat ein Mann hervor, dessen Rüstung und Haltung verrieten, dass er hier das Sagen hatte. Er war in mittleren Jahren, mit einem wettergegerbten Gesicht und einem strengen, aber aufmerksamen Blick. Seine Haltung war gerade, und seine Schritte zielgerichtet. Der Mann näherte sich Aramis, gefolgt von einem jüngeren Offizier, dessen Gesicht noch die Spuren der Jugend trug, aber dessen Augen von Erfahrung sprachen.
„Willkommen in Vedette, Chevalier du Lac,“ sprach der Mann mit tiefer, kräftiger Stimme. „Ich bin Junker de Fréne, der Kommandant dieser Festung. Es ist mir eine Ehre, einen Ritter eures Hauses in unserer bescheidenen Behausung zu empfangen.“ Seine Stimme war rau, aber respektvoll, und er deutete eine leichte Verbeugung an.
Aramis neigte höflich den Kopf. „Es ist mir eine Ehre, eure Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen, Junker de Fréne. Ich befinde mich auf meiner ersten Quest und erbitte eine Unterkunft für die Nacht.“
De Fréne nickte. „Ihr seid hier herzlich willkommen. Diese Festung hat viele Soldaten und Reisende beherbergt, und es ist mir eine Freude, einem Ritter von solcher Abstammung wie euch Quartier zu gewähren.“
Der jüngere Offizier, der neben de Fréne stand, trat nun vor. Sein Blick war wach und aufmerksam, und er wirkte in seinem Auftreten trotz seiner Jugend überraschend gefestigt. „Das ist Hauptmann Henri Bernard,“ stellte de Fréne den Offizier vor. „Er ist mein Stellvertreter und wird euch alles Notwendige für euren Aufenthalt zeigen.“
Henri Bernard trat einen Schritt vor und verbeugte sich kurz. „Es ist mir eine Ehre, euch in Vedette zu empfangen, Chevalier du Lac,“ sagte er mit einer Mischung aus Respekt und Selbstbewusstsein.
Aramis musterte Henri Bernard, der ungefähr in seinem Alter sein musste, und sah in dessen Augen einen klaren, zielstrebigen Ausdruck. Er spürte sofort, dass dieser junge Hauptmann nicht nur ein Offizier war, sondern auch jemand, der sich seinen Respekt durch Tatkraft und Entschlossenheit verdient hatte. Es war eine erste, wortlose Begegnung zweier Männer, die vielleicht auf ähnlichen Wegen wandeln würden.
„Ich danke euch, Hauptmann Bernard,“ antwortete Aramis mit einem freundlichen Lächeln. „Ich nehme euer Angebot gerne an.“
„Folgt mir bitte, Chevalier,“ sagte Bernard und deutete auf das Hauptgebäude der Festung. „Wir haben euch ein Zimmer vorbereitet, und euer Pferd wird in den besten Ställen untergebracht. Wenn ihr es wünscht, können wir auch gemeinsam zu Abend essen, und ihr könnt uns von euren Abenteuern berichten.“
Aramis nickte zustimmend und schritt neben dem Hauptmann durch den Innenhof. Der Klang ihrer Schritte hallte leise von den alten Steinwänden wider, während sie in Richtung des Haupthauses gingen. Die kühle Luft der Dämmerung legte sich über die Festung, und Aramis spürte das Gewicht der kommenden Nacht.
Das Abendessen in der Grenzfeste
Die Große Halle von Vedette, am Abend
Das Innere der Grenzfeste Vedette war schlicht, aber es strahlte eine rustikale Gemütlichkeit aus, die typisch für die rauen Grenzgebiete Toussaints war. In der Großen Halle, einem hohen Raum mit schweren Holzbalken und steinernen Wänden, flackerte ein warmes Feuer im großen Kamin und vertrieb die aufziehende Kälte der Nacht. Der Duft von frisch gebratenem Fleisch, gewürzt mit Kräutern der Umgebung, durchzog den Raum und versprach ein üppiges Mahl nach einem langen Tag.
Am schweren Eichentisch in der Mitte der Halle saßen Aramis du Lac, Junker de Fréne und Hauptmann Henri Bernard, gemeinsam mit einigen der ranghöheren Offiziere der Festung. Das Festmahl war einfach, aber reichlich. Es gab gebratenen Hirsch, der in der Umgebung erlegt worden war, dazu frisches Brot, Käse und Wein aus den letzten Vorräten, die noch aus den südlicheren Weinbergen Toussaints stammten. Der Wein war kräftig und wärmend, genau das Richtige für einen Abend in den kühlen Grenzlanden.
„Es freut mich zu sehen, dass die jungen Ritter von Toussaint den alten Traditionen folgen,“ sagte Junker de Fréne, während er sein Weinglas hob und einen tiefen Schluck nahm. „In diesen Zeiten, in denen der Krieg und die Politik so viel verändern, brauchen wir Männer wie euch, die das Banner der Ritterlichkeit hochhalten.“
Aramis erwiderte das Glasheben mit einem dankbaren Lächeln. „Es ist meine Ehre und mein Ziel, dem Namen du Lac und den Tugenden, die uns über Generationen hinweg geprägt haben, gerecht zu werden.“ Seine Stimme war fest, doch in seinen Augen war eine gewisse Demut zu erkennen.
„Ich habe von euren Heldentaten bei den Turnieren in Beauclair gehört,“ sagte Henri Bernard und lehnte sich leicht vor. „Ihr habt viele ehrenhafte Männer besiegt, und man spricht mit Respekt von eurem Können mit dem Schwert.“
Aramis zuckte leicht mit den Schultern, doch ein stolzes Lächeln umspielte seine Lippen. „Turniere sind eine Sache, Hauptmann Bernard, aber die wahre Prüfung eines Ritters liegt nicht in der Arena, sondern auf den Schlachtfeldern und in den Wäldern, wo kein Publikum zuschaut und nur die Götter Zeugen sind.“
Bernard nickte zustimmend. „Wahre Worte. Doch selbst in diesen Grenzlanden, fernab der Turniere, ist das Talent eines Ritters von unschätzbarem Wert. Hier draußen treffen wir oft auf Gesindel, das die Grenzen bedroht.“
„Und wie ist es um die Sicherheit in diesen Tagen bestellt?“ fragte Aramis, während er sich ein Stück Fleisch nahm und es mit Bedacht kostete.
Junker de Fréne setzte sein Glas ab und seine Miene verdunkelte sich leicht. „Die Zeiten sind unruhig. Immer wieder dringen Banden von Plünderern über die Grenze, insbesondere aus den nördlichen Provinzen. Die Bevölkerung ist verstreut, die Dörfer klein und abgelegen. Es ist schwer, überall gleichzeitig zu sein.“
Gerade als Aramis antworten wollte, öffnete sich die schwere Tür der Halle mit einem lauten Krachen, das den geselligen Lärm abrupt verstummen ließ. Ein junger Soldat stürzte hinein, außer Atem und mit weit aufgerissenen Augen. Die Festgesellschaft wandte sich ihm zu, die Atmosphäre in der Halle war mit einem Mal angespannt.
„Was ist los, Mann?“ rief de Fréne und stand abrupt auf, während er seine Hand auf den Griff seines Schwertes legte.
„Ein… ein Junge, mein Herr! Er ist draußen, völlig außer sich und… blutüberströmt!“ keuchte der Soldat. „Er sagt, sein Dorf wurde überfallen… von Banditen.“
Ein Schock durchfuhr die Anwesenden, und ohne zu zögern erhoben sich die Männer vom Tisch. Aramis tauschte einen Blick mit Henri Bernard, der bereits auf dem Weg zur Tür war, gefolgt von Junker de Fréne und den anderen.
Vor der Halle, im kalten Dämmerlicht des Hofes, stand ein Junge, vielleicht zwölf Jahre alt, der mehr tot als lebendig aussah. Sein Gesicht war von Dreck und Blut verschmiert, und seine Kleider hingen in Fetzen von seinem abgemagerten Körper. In den Augen des Jungen lag ein Ausdruck purer Verzweiflung und Angst, wie Aramis ihn noch nie gesehen hatte. Die Soldaten, die den Jungen entdeckt hatten, standen schweigend um ihn herum, als hätten sie Angst, ihn zu berühren.
Der Junge taumelte, als er die Männer näherkommen sah, und brach fast zusammen, wurde aber von einem der Soldaten aufgefangen. „Mein Herr… bitte… helft uns…“ stammelte er mit schwacher Stimme, bevor er in das Gesicht des Hauptmanns blickte. „Die Banditen… sie haben alles niedergebrannt… meine Familie…“ Die Worte brachen ab, und er begann zu schluchzen, während sein kleiner Körper unter der Last der Erschöpfung und des Schocks zitterte.
Henri Bernard kniete sich zu dem Jungen hinunter, legte ihm eine Hand auf die Schulter und sprach ruhig zu ihm. „Ruhig, Junge. Wir sind hier. Du bist in Sicherheit. Sag uns, was passiert ist. Welches Dorf? Wie viele waren es?“
Der Junge schnappte nach Luft und versuchte, sich zu sammeln. „Es war… Es war das Dorf Vieuxchêne, einen halben Tagesritt nach Norden. Sie kamen in der Nacht… zwanzig, vielleicht mehr. Sie haben alles zerstört… die Häuser verbrannt…“ Seine Stimme versagte erneut, als die Erinnerung an das Grauen ihn zu überwältigen drohte.
Junker de Fréne trat näher und richtete seinen Blick auf Henri Bernard. „Wir müssen sofort handeln. Bernard, rüstet eure Männer. Wir brechen sofort auf.“
Henri Bernard nickte entschlossen. „Ja, mein Herr. Ich werde die besten Reiter auswählen.“
Aramis trat vor und legte seine Hand auf das Schwert an seiner Seite. „Ich werde mit euch kommen,“ sagte er fest. „Es ist meine Pflicht, denen zu helfen, die in Not sind. Lasst mich an eurer Seite kämpfen.“
Junker de Fréne sah Aramis prüfend an und nickte schließlich. „Eure Hilfe wird gebraucht, Chevalier du Lac.“
Der Junge, der noch immer in den Armen des Soldaten zitterte, sah zu Aramis auf, seine Augen voller unausgesprochener Hoffnung. „Bitte… rettet sie…“
„Das werden wir,“ versprach Aramis leise, seine Entschlossenheit fest. „Wir werden sie retten.“
Der Ritt durch die Nacht
Vor der Festung Vedette, kurz vor Mitternacht
Der Hof der Grenzfeste Vedette war erfüllt von hektischer Aktivität. Soldaten rüsteten sich in aller Eile, Waffen wurden geprüft und Pferde gesattelt. Das bleiche Mondlicht tauchte die Szene in ein gespenstisches Licht, das von den zischenden Fackeln im Hof verstärkt wurde. Aramis du Lac, in seine Rüstung gekleidet, stand neben Berek, seinem treuen Schlachtross, und überprüfte die Gurte des Sattels ein letztes Mal.
Hauptmann Henri Bernard kommandierte seine Männer mit ruhiger Effizienz. „Schnell, Männer! Wir haben keine Zeit zu verlieren. Jeder Moment zählt, wenn wir noch was vom Dorf retten wollen.“
Junker de Fréne trat zu Aramis, seine ernste Miene zeugte von der Dringlichkeit der Situation. „Aramis, ihr reitet mit mir an der Spitze. Henri Bernard wird mit seinen Männern die Flanken decken. Wir müssen schnell und entschlossen handeln, sonst riskieren wir, dass noch mehr Blut vergossen wird.“
Aramis nickte entschlossen und schwang sich in den Sattel. „Ich bin bereit.“ Berek schnaubte unruhig, als ob er die Anspannung seines Herrn spüren würde.
Mit einem letzten Blick zurück auf die Festung, die in der Dunkelheit hinter ihnen verschwand, gab Junker de Fréne das Zeichen zum Aufbruch. Die kleine Reitertruppe setzte sich in Bewegung, die Hufe der Pferde schlugen hart auf den harten Boden und erzeugten ein rhythmisches, dröhnendes Echo, das die Stille der Nacht durchbrach.
Der Weg zum Dorf Vieuxchêne war nicht leicht. Die steinigen Pfade wanden sich durch dichte Wälder und über kleine Hügel, und die Kälte der Nacht biss in das Fleisch der Reiter, während sie im Galopp vorankamen. Der Mond, der durch die dichten Wolken lugte, bot nur wenig Licht, sodass sie sich oft auf die Instinkte ihrer Pferde verlassen mussten.
Aramis spürte das Adrenalin durch seine Adern pumpen, während er seine Umgebung aufmerksam im Auge behielt. Die Wälder wirkten in der Dunkelheit bedrohlich, jeder Schatten konnte eine Gefahr verbergen. Doch sein Fokus lag auf dem Ziel vor ihnen: dem Dorf und den Menschen, die seine Hilfe brauchten.
Neben ihm ritt Junker de Fréne, dessen Gesicht von der Fackel, die er trug, schwach beleuchtet wurde. „Wir müssen uns beeilen,“ rief er über das Donnern der Hufe hinweg. „Die Banditen könnten sich immer noch in der Nähe des Dorfes aufhalten!“
Aramis nickte, drückte seine Schenkel fester an Bereks Flanken und trieb das Pferd zu noch größerer Geschwindigkeit an. „Wir werden rechtzeitig dort sein,“ murmelte er entschlossen, mehr zu sich selbst als zu irgendjemandem sonst.
Stunde um Stunde ritten sie durch die dunkle Nacht, das endlose Hufgetrappel das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. Die Landschaft um sie herum veränderte sich allmählich, die Hügel wurden flacher und die Bäume seltener. Der Nebel begann aufzuziehen, schleichend und dicht, und erschwerte die Sicht weiter.
Doch endlich, als der Mond sich langsam seinem Zenit näherte, sahen sie in der Ferne die ersten Anzeichen von Leben – oder besser gesagt, von Zerstörung.
Das Dorf Vieuxchêne, im ersten Licht der Morgendämmerung
Als sie das Dorf erreichten, wurde ihnen das volle Ausmaß des Angriffs offenbar. Die kleinen, bescheidenen Hütten, die einst friedlich unter den hohen Eichen standen, waren nun nichts weiter als rauchende Trümmerhaufen. Die Felder ringsum waren verwüstet, und die wenigen Tiere, die überlebt hatten, irrten verstört umher.
Die Reiter hielten an, ihre Pferde keuchten vor Anstrengung, und Aramis spürte das Gewicht der Situation schwer auf seinen Schultern lasten. Das Bild des kleinen Jungen, blutüberströmt und verzweifelt, drängte sich in seine Gedanken. Er hatte gehofft, rechtzeitig zu kommen, aber der Anblick vor ihm ließ ihn daran zweifeln.
„Bei der Herrin vom See…“ murmelte Henri Bernard, der neben Aramis vom Pferd stieg. „Sie haben alles zerstört.“
Junker de Fréne schwang sich aus dem Sattel und zog sein Schwert, als ob er erwartete, dass die Angreifer noch irgendwo lauerten. „Sucht nach Überlebenden! Vielleicht gibt es noch jemanden, der uns sagen kann, was hier geschehen ist.“
Aramis folgte seinem Beispiel und führte Berek vorsichtig durch die Trümmer des einstigen Dorfes. Die Luft war schwer vom Geruch verbrannten Holzes und der stillen Verzweiflung der Zerstörung. Er suchte mit scharfem Blick die Umgebung ab, immer auf der Hut vor einer möglichen Gefahr.
Plötzlich hörte er ein leises Wimmern aus einem der wenigen halbwegs intakten Gebäude. Mit schnellen Schritten näherte er sich der Quelle des Geräuschs und entdeckte eine ältere Frau, die unter den Überresten ihrer eingestürzten Hütte kauerte. Ihre Augen waren rot vor Tränen und ihre Hände zitterten, als sie Aramis erblickte.
„Mein Sohn… mein kleiner Jean… sie haben ihn mitgenommen,“ flüsterte sie, ihre Stimme brüchig und voller Angst.
Aramis kniete sich zu ihr hinunter und legte eine Hand auf ihre Schulter, um sie zu beruhigen. „Wer hat ihn mitgenommen? Wie viele waren es?“
„Die Banditen… es waren viele… zu viele…“ Sie schüttelte den Kopf, unfähig, mehr zu sagen.
In diesem Moment stieß Henri Bernard wieder zu ihm, sein Gesicht eine Maske aus Entschlossenheit. „Wir müssen ihnen folgen. Diese Bastarde dürfen nicht ungestraft davonkommen.“
Aramis erhob sich und nickte. „Wir werden sie finden und die Kinder zurückbringen. Bei meinem Schwert, ich schwöre es.“
Junker de Fréne trat zu ihnen, seine Miene war ernst. „Die Spuren führen nach Norden, in die Wälder. Aber wir müssen vorsichtig sein. Wir wissen nicht, wie viele es sind, und in der Dunkelheit könnten wir in einen Hinterhalt geraten.“
„Wir haben keine Wahl,“ entgegnete Aramis, das Feuer des Zorns in seinen Augen. „Wir dürfen keine Zeit verlieren.“
Die Gruppe versammelte sich erneut, und machten sich bereit, den Banditen zu folgen. Die ersten Strahlen der Morgendämmerung brachen über den Horizont, tauchten das zerstörte Dorf in ein blasses Licht. Die Jagd hatte begonnen.
Die Jagd
Am Rande des zerstörten Dorfs Vieuxchêne, kurz nach Sonnenaufgang
Das Dorf Vieuxchêne lag still und verlassen in der Morgendämmerung, die Überreste der Hütten glimmten noch leicht in der kalten Luft. Die Schreie und das Leid der Nacht hatten sich in eine bedrückende Stille verwandelt, die über die verwüsteten Felder und die verkohlten Bäume hing wie ein schwerer Schleier. Aramis du Lac stand am Rand des Dorfes, die Hand am Heft seines Schwertes, die Augen auf die fernen Wälder gerichtet, wo die Banditen verschwunden waren. Neben ihm trat Henri Bernard, der Hauptmann der Grenzfeste, nervös von einem Fuß auf den anderen.
Junker de Fréne, der alte Krieger mit dem wettergegerbten Gesicht, trat vor seine Männer, das eiserne Kinn entschlossen vorgeschoben. „Aramis, Henri, ihr nehmt zehn meiner besten Männer und verfolgt diese Bastarde. Findet die Spur, folgt ihr, und sorgt dafür, dass sie für ihre Taten bezahlen.“
„Ja, Junker,“ antwortete Aramis, seine Stimme ruhig und fest. Er spürte die Verantwortung schwer auf seinen Schultern, doch gleichzeitig pochte das Adrenalin in seinen Adern. Henri nickte knapp, das Gesicht des Hauptmanns war hart und entschlossen.
„Sie sind nicht weit,“ sagte Henri leise und trat näher an Aramis heran. „Die Spuren sind frisch, sie haben nur wenige Stunden Vorsprung.“
Aramis schwang sich in den Sattel von Berek, seinem weißen Schlachtross, das schnaubte und ungeduldig mit den Hufen scharrte. „Dann verschwenden wir keine Zeit.“ Er wandte sich an die Männer, die sich um sie versammelt hatten. „Wir reiten nach Norden, in die Wälder. Bleibt wachsam. Diese Männer sind gefährlich, und sie werden nicht zögern, uns anzugreifen, wenn sie in die Enge getrieben werden.“
Die Soldaten nickten, ihre Gesichter waren grimmig und entschlossen, während sie sich auf ihre Pferde schwangen. Aramis warf einen letzten Blick zurück auf das Dorf, wo die wenigen Überlebenden in der Ferne zu erkennen waren, die gebeugten Gestalten zwischen den rauchenden Trümmern. Dann gab er Berek die Sporen, und die kleine Truppe setzte sich in Bewegung, die Hufe ihrer Pferde wirbelten Staub auf, als sie in Richtung der dichten Wälder ritten.
Der Weg durch die Wälder
Die Bäume schlossen sich bald um sie, und das Licht der Morgendämmerung wurde von den dichten Ästen und dem Laub gedämpft. Der Boden unter den Hufen der Pferde war weich, durchtränkt vom Tau der Nacht, und die Luft war erfüllt vom Duft feuchter Erde und Moos. Aramis hielt die Zügel locker, während er die Augen auf die Spuren am Boden richtete, die tiefer in den Wald führten.
„Hier entlang,“ murmelte Henri, der sich neben Aramis hielt. „Die Spuren sind klar – sie haben es nicht eilig gehabt. Vielleicht dachten sie, sie hätten genug Vorsprung.“
Aramis nickte, doch er spürte, dass es mehr als das war. Diese Männer hatten sich in den Wald zurückgezogen, weil sie wussten, dass er ihnen Schutz bot. Der Wald war dicht und voller Verstecke, ideal für einen Hinterhalt. „Wir müssen vorsichtig sein,“ sagte er leise, während er das dichte Unterholz beobachtete. „Sie könnten uns beobachten.“
Die Männer hinter ihnen ritten in angespannter Stille, ihre Blicke wanderten unruhig durch die schattigen Bäume, die sich um sie wie eine undurchdringliche Mauer schlossen. Die Geräusche des Waldes – das Rascheln der Blätter, das Flattern von Vogelflügeln – waren ihre einzigen Begleiter, und doch fühlte sich die Stille drückend und bedrohlich an.
Stunde um Stunde drangen sie tiefer in den Wald vor, und die Spuren der Banditen wurden immer deutlicher. Abgebrochene Zweige, zermalmte Büsche, und hier und da eine Blutspur, die vom verzweifelten Widerstand eines der gefangenen Dorfbewohner zeugte. Aramis spürte, wie sich seine Wut steigerte, doch er hielt sie in Schach – er wusste, dass ein klarer Kopf jetzt wichtiger war als blinder Zorn.
Schließlich, als der Tag sich seinem Zenit näherte und die Sonne nur noch in schwachen Strahlen durch das dichte Blätterdach drang, hielt Henri plötzlich inne und hob die Hand. „Halt,“ flüsterte er, und die Männer zogen ihre Pferde zurück, die Hufe verstummten auf dem weichen Waldboden.
Vor ihnen öffnete sich der Wald zu einer kleinen Lichtung, auf der das Gras hoch und wild wuchs. In der Mitte der Lichtung erhob sich eine alte, verwitterte Ruine – einst ein stolzes Werk elfenhafter Architektur, jetzt nur noch ein Schatten ihrer ehemaligen Pracht. Geborstene Säulen, mit Moos bewachsene Steinblöcke und überwucherte Treppenstufen zeugten von einer längst vergangenen Zeit, als diese Ruine vielleicht ein Heiligtum gewesen war.
„Eine alte Elfenruine,“ murmelte Henri, seine Augen schmalten sich zusammen, als er die Umgebung absuchte. „Perfekt für einen Hinterhalt.“
Aramis spürte, wie sich die Anspannung in seinen Schultern verstärkte. „Sie sind hier,“ sagte er leise, mehr zu sich selbst als zu den anderen. „Bereitet euch vor. Wir gehen hinein.“
Die Männer griffen zu ihren Schwertern, ihre Blicke ernst und konzentriert, während sie sich langsam der Ruine näherten. Aramis konnte das leise Rascheln des Windes in den Bäumen hören, das Knistern des trockenen Laubs unter den Hufen, und das ferne Rufen eines Vogels. Es war eine gespenstische Stille, die über dem Ort lag, als ob die Geister der Vergangenheit die Luft mit ihrem unruhigen Flüstern erfüllten.
Mit einem letzten Blick auf seine Männer führte Aramis sie vorsichtig über die Schwelle der Ruine, seine Hand fest um den Griff seines Schwertes geschlossen. Sie traten in den Schatten der alten Mauern ein, bereit für das, was immer auf sie wartete.
Die Schatten in der Ruine
Am Rand der Elfenruine, in den Wäldern nördlich von Vieuxchêne
Aramis’ Schritte hallten leise auf dem alten Steinboden wider, während er sich tiefer in die Ruine wagte. Die Luft war kalt und feucht, ein scharfer Kontrast zur Sonne, die den ganzen Tag auf sie herabgebrannt hatte. Zwischen den verwitterten Säulen und den halbverfallenen Mauern wucherten Flechten und Kletterpflanzen, die einst kunstvollen Verzierungen der Elfenarchitektur waren kaum noch zu erkennen. Der Ort war von einer bedrückenden Stille erfüllt, die jeden Laut verschluckte.
Henri Bernard blieb dicht an Aramis’ Seite, sein Blick rastlos und wachsam. Die zehn Männer, die ihnen folgten, bewegten sich mit der gleichen vorsichtigen Anspannung, jeder Muskel bereit, auf das leiseste Anzeichen von Gefahr zu reagieren.
„Sie müssen hier irgendwo sein,“ flüsterte Henri und spähte in die dunklen Ecken der Ruine. „Aber warum sind sie hierher geflohen?“
Aramis überlegte, während er seine Schritte verlangsamte. „Vielleicht wussten sie, dass wir sie verfolgen würden. Ein Ort wie dieser – versteckt und verwinkelt – ist ideal, um sich zu verschanzen oder einen Hinterhalt vorzubereiten.“ Seine Stimme klang ruhig, doch in ihm brodelte eine Mischung aus Wut und Entschlossenheit.
Die Ruine war größer, als sie von außen gewirkt hatte. Hinter einer schmalen Öffnung in der Mauer fanden sie sich in einem inneren Hof wieder, der von überwucherten Treppen und steinernen Erhebungen durchzogen war. Überall lagen die Überreste einstiger Pracht, jetzt nichts mehr als Schatten der Vergangenheit. Aramis konnte sich vorstellen, wie hier vor Jahrhunderten Elfen in erhabener Stille verweilt hatten, vielleicht in Meditation oder Gebeten, doch jetzt war der Ort Tod und verlassen.
Plötzlich hielt einer der Männer hinter ihnen inne und kniete sich nieder. „Hier, Sir,“ flüsterte er und deutete auf den Boden. Aramis trat näher und sah es sofort – frische Fußspuren im Staub, der das Pflaster bedeckte, deutlich von den älteren, verwaschenen Spuren der Vergangenheit abgesetzt. Die Abdrücke führten weiter in die Ruine hinein, in einen schmalen, dunklen Gang, der tiefer in den zerfallenen Bau führte.
„Sie sind hier,“ sagte Aramis leise und hob die Hand, um seinen Männern das Zeichen zum Vorrücken zu geben. „Bereitet euch vor, sie könnten jederzeit angreifen.“
Aramis’ Herzschlag beschleunigte sich, doch er konzentrierte sich auf das Gefühl des Leders um den Griff seines Schwertes, das vertraute Gewicht des Stahls in seiner Hand. Er war bereit – bereit, sich dem Feind zu stellen, der diese unschuldigen Menschen in ihrem Dorf abgeschlachtet hatte.
Mit langsamen, bedachten Schritten setzten sie ihren Weg fort, die Dunkelheit des Ganges verschluckte sie fast vollständig. Der Gang war eng und die Wände drückten von allen Seiten auf sie ein. Jeder Schritt hallte zurück und klang, als ob jemand – oder etwas – ihnen im Schatten folgte.
„Haltet die Augen offen,“ murmelte Henri, während er seinen Blick nicht von den Schatten vor ihnen abwandte. „Sie könnten überall sein.“
Der Gang mündete in eine weitläufige Halle, deren Decke einst hoch und majestätisch gewesen sein musste, doch jetzt war sie teilweise eingestürzt, und das Licht fiel nur spärlich durch die Risse und Lücken im Mauerwerk. Eine drückende Stille lag über dem Ort, doch Aramis spürte die Anspannung in der Luft.
Henri trat vor, seine Augen ruhten auf einem der Durchgänge auf der anderen Seite der Halle. „Da drüben,“ flüsterte er, „ich habe etwas gesehen.“
Doch bevor sie nähertreten konnten, zerriss ein Schrei die Stille. Aus den Schatten stürmten die Banditen hervor, ihre Augen wild und voller Panik, als sie auf die Eindringlinge zustürmten. Aramis schwang sein Schwert in einer fließenden Bewegung, das Adrenalin schoss ihm in die Adern, als er den ersten Angreifer mit einem schnellen, präzisen Schlag niederstreckte.
„Für Toussaint!“ rief Henri, als er sich an Aramis’ Seite kämpfte. Die Soldaten stürmten vor, und der Kampf brach in voller Wucht aus, das Geräusch von Stahl auf Stahl erfüllte die Halle, übertönt von den Schreien der Männer, die sich in blutiger Schlacht gegenüberstanden.
Aramis duckte sich unter einem Hieb hinweg und rammte seinem Gegner das Schwert in die Seite. Blut spritzte auf den Boden, und der Bandit fiel mit einem kehligen Stöhnen zu Boden. Doch es waren noch mehr – viele mehr, als sie erwartet hatten. Die Banditen hatten sich in der Ruine verschanzt, und nun nutzten sie die engen Gänge und verwinkelten Ecken zu ihrem Vorteil.
„Zurück in die Halle!“ rief Aramis, während er einen weiteren Angreifer abwehrte. „Wir dürfen uns nicht auseinanderreißen lassen!“
Die Männer zogen sich in den offenen Raum zurück, wo sie sich besser verteidigen konnten. Aramis spürte, wie der Kampf an ihm zerrte, jeder Schlag, jeder Stoß kostete ihn Kraft, doch er hielt stand, die Erinnerung an die zerstörten Hütten und die verzweifelten Überlebenden in seinem Herzen brennend.
„Das ist nicht gut,“ keuchte Henri, als er einen Banditen zurückdrängte. „Sie sind zu viele.“
Aramis wusste, dass Henri recht hatte. Ihre Gegner hatten den Vorteil des Geländes und der Überzahl. Doch er konnte nicht zulassen, dass sie hier scheiterten. Mit einem letzten Aufbäumen der Entschlossenheit rief er seinen Männern zu: „Vorwärts! Wir müssen die Ruine durchqueren und ihre Anführer finden! Ohne Führung werden sie zerstreut und leichter zu besiegen sein!“
Henri nickte und sammelte seine Kräfte für einen erneuten Vorstoß. Gemeinsam drängten sie die Banditen zurück, Meter für Meter, bis sie endlich den Durchgang auf der anderen Seite der Halle erreichten.
Die Männer aus Vedette kämpften wie Besessene, jeder Schlag war präzise, jeder Schritt bedacht. Aramis führte sie voran, das Ziel klar vor Augen – die Ruine zu durchqueren und die Banditen zur Strecke zu bringen.
Die letzte Hürde war ein Torbogen, halb eingestürzt, aber noch passierbar. Dahinter lag ein Innenhof, von hohen Mauern umgeben. Hier war das Herz der Ruine, wo sich vielleicht die Anführer der Banditen verschanzt hatten. Aramis trat als Erster hindurch, gefolgt von Henri und den übrigen Soldaten.
Vor ihnen breitete sich der Innenhof aus, der in einem unheimlichen, grünlichen Licht lag. Im Zentrum stand ein verfallener Turm, der einmal das Herzstück der Ruine gewesen sein musste.
„Da sind sie,“ murmelte Aramis, als er die Gestalten am Fuße des Turms entdeckte. Die Banditen, angeführt von einem Mann in dunkler Rüstung, hatten sich dort versammelt und warteten nun auf das, was kommen würde.
Henri trat neben ihn, sein Blick war finster. „Das ist sicher der Anführer. Wenn wir ihn ausschalten, haben wir eine Chance, den Rest in die Flucht zu schlagen.“
Aramis nickte. „Dann lasst uns diesen Albtraum beenden.“
Mit einem letzten, entschlossenen Atemzug traten sie vor, das Schwert fest in der Hand, bereit für den entscheidenden Kampf, der über Leben und Tod entscheiden würde.
Der Letzte Stand
Innenhof der Elfenruine, tief in den Wäldern nördlich von Vieuxchêne
„Wir dürfen ihnen keine Zeit lassen, sich neu zu formieren,“ flüsterte Aramis entschlossen. „Wir gehen direkt auf den Anführer los.“
Henri nickte, doch bevor sie sich in Bewegung setzen konnten, durchbrach das Zischen von Pfeilen die Stille. Aramis sah noch, wie sich die Augen des Hauptmanns weiteten, bevor das erste Geschoss ihn in die Schulter traf und ihn herumriss. Ein weiterer Pfeil bohrte sich in den Hals eines der Soldaten, der mit einem erstickten Laut zu Boden fiel.
„Hinterhalt!“ schrie Aramis, als er seinen Schild hochriss und die restlichen Männer um sich versammelte. Die Banditen hatten Bogenschützen auf den Mauern positioniert, die jetzt eine mörderische Salve nach der anderen abfeuerten.
Die Soldaten duckten sich unter ihren Schilden und versuchten verzweifelt, den Pfeilen auszuweichen, doch das dichte Pfeilfeuer forderte seinen Tribut. Zwei weitere Männer fielen in rascher Folge, ihre Körper zuckten, bevor sie reglos liegen blieben.
„Wir müssen näher ran, raus aus dem offenen Feld!“ rief Henri, der sich trotz der Schmerzen in seiner Schulter nicht vom Kampf abhalten ließ. Aramis nickte und gab das Zeichen zum Sturmangriff. Sie mussten den Anführer ausschalten, bevor noch mehr Männer fielen.
Mit einem Schrei auf den Lippen stürmten sie vor, den Schild fest vor sich, während sie versuchten, die Distanz zu den Banditen zu überbrücken. Der Anführer hob sein Schwert, ein breites Grinsen auf den Lippen, als er seine Männer zum Gegenangriff aufforderte.
Aramis duckte sich unter einem Pfeil hinweg und schwang sein Schwert in einem weiten Bogen. Stahl traf auf Stahl, als er den ersten Angreifer abwehrte, der mit einem brutalen Hieb auf ihn zustürmte. Die Kraft des Aufpralls ließ seine Hand schmerzen, doch er biss die Zähne zusammen und drängte den Gegner zurück, bevor er ihm einen tödlichen Stich versetzte.
Die Schlacht um den Innenhof tobte. Überall kämpften Männer verzweifelt um ihr Leben, das Heulen des Windes mischte sich mit dem metallischen Klang der Schwerter und den Schreien der Sterbenden. Aramis kämpfte sich durch die feindlichen Reihen, seine Bewegungen wurden schneller, brutaler. Es war ein Tanz auf dem schmalen Grat zwischen Leben und Tod.
„Aramis!“ Henri’s Ruf ließ ihn herumfahren, gerade rechtzeitig, um einen weiteren Banditen abzuwehren, der von hinten auf ihn zustürzen wollte. Der Hauptmann war umzingelt, blutete stark, doch seine Augen waren voller Entschlossenheit. „Nimm dir den Anführer!“
Aramis nickte, sein Blick fixierte den Mann in der dunklen Rüstung. Der Anführer lachte höhnisch, während er zwei seiner Männer in die Schlacht schickte. Aramis rannte auf ihn zu, seine Klinge blitzte im schwachen Licht, als er die erste Wache mit einem schnellen Hieb niederstreckte. Der zweite Bandit war schneller, sein Schwert zischte auf Aramis zu, doch dieser parierte den Schlag mühelos und stieß sein Schwert tief in den Bauch des Mannes.
Schwer atmend stand Aramis schließlich dem Anführer gegenüber. Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen, als sich ihre Blicke trafen. Der Banditenführer spuckte aus und hob sein Schwert.
„Du wirst sterben, wie die anderen, kleiner Ritter,“ zischte er.
„Nicht heute,“ antwortete Aramis mit eiserner Entschlossenheit. Dann trafen ihre Schwerter aufeinander, und die Welt um sie herum verschwand in einem Wirbel aus Stahl und Blut.
Der Kampf war erbittert. Der Anführer war stark, seine Schläge hatten die rohe Gewalt eines Mannes, der nichts mehr zu verlieren hatte. Aramis parierte und konterte, sein Schwert blitzte in flinken Bewegungen. Jeder Schlag, jeder Stoß war präzise, doch der Anführer kämpfte mit einer wilden Entschlossenheit, die Aramis das Blut in den Adern gefrieren ließ.
Schließlich, nach einem zermürbenden Schlagabtausch, gelang es Aramis, eine Lücke in der Verteidigung seines Gegners zu finden. Mit einem kraftvollen Hieb schlug er das Schwert des Anführers zur Seite und stieß sein eigenes Schwert tief in die Brust des Mannes.
Der Anführer stöhnte, taumelte zurück und ließ sein Schwert fallen. Er griff nach der Wunde in seiner Brust, als könnte er das Leben darin festhalten, doch es entglitt ihm rasch. Mit einem letzten, heiseren Atemzug sank er in die Knie und kippte zur Seite.
Aramis stand keuchend über dem toten Körper, seine Hände zitterten von der Anstrengung. Um ihn herum war der Kampf verebbt, die letzten Banditen wurden entweder niedergestreckt oder ergaben sich widerstandslos. Henri trat an seine Seite, seine Rüstung war blutverschmiert, und er hielt sich die verletzte Schulter, doch sein Blick war fest auf Aramis gerichtet.
„Gut gemacht,“ sagte Henri mit einem schwachen Lächeln. „Das war… das war ein Höllenritt.“
Aramis nickte, doch seine Gedanken waren schon woanders. Die Toten um sie herum, die gefallenen Kameraden, die verstreuten Leichen der Banditen – all das hinterließ einen bitteren Geschmack in seinem Mund. Der Sieg war sein, doch der Preis war hoch gewesen.
„Lass uns nach den Überlebenden sehen,“ sagte Aramis schließlich, seine Stimme rau und müde. „Und dann… dann kehren wir nach Vedette zurück.“
Henri nickte, und gemeinsam begannen sie, die Ruine abzusuchen. Der Kampf war vorbei, doch die Narben, die er hinterlassen hatte, würden lange bleiben.
Schatten der Intrige
Innenhof der Elfenruine, tief in den Wäldern nördlich von Vieuxchêne
Nachdem die Banditen besiegt waren und die letzten Schreie verhallt waren, herrschte im Innenhof eine gespenstische Stille. Die verbliebenen Soldaten aus Vedette begannen, die Ruine systematisch nach Überlebenden und Hinweisen zu durchsuchen. Aramis und Henri führten die Suche mit erschöpfter Entschlossenheit fort, während die ersten schwachen Strahlen des Morgengrauens durch die Ritzen der Ruine drangen.
Aramis durchkämmte eine der verwinkelten Kammern des Turms und stieß auf eine Gruppe gefesselter Dorfbewohner. Ihre Gesichter waren von Angst und Erschöpfung gezeichnet, doch als sie Aramis erblickten, mischten sich Erleichterung und Dankbarkeit in ihre Augen.
„Keine Angst,“ sagte Aramis sanft, als er die Fesseln der Gefangenen durchschnitt. „Wir sind hier, um euch zu befreien.“
Die Dorfbewohner murmelten dankbare Worte, als sie sich von den Fesseln befreiten. Unter ihnen war eine ältere Frau, die sich heiser räusperte und Aramis mit erschöpften Augen ansah. „Sie… sie sind nicht allein hier“, begann sie zögernd. „Es gibt andere… und… es gibt etwas, das ihr wissen müsst.“
Aramis’ Herz zog sich zusammen. „Was ist es?“
Die Frau atmete tief durch und schüttelte dann langsam den Kopf. „Die Banditen… sie haben gesagt, dass dies nur der Anfang sei. Sie sprechen von einer Intrige… von einem Plan, um die Grenze von Toussaint zu destabilisieren. Sie wollten die Dörfer in Panik versetzen, die Bevölkerung gegen die Herrscher aufbringen… es sollte alles in Chaos stürzen.“
Henri, der die Konversation verfolgt hatte, trat näher. „Und haben sie mehr darüber gesagt? Wer steckt dahinter?“
Die Frau schüttelte den Kopf. „Nur, dass sie von jemandem beauftragt wurden, der die Region destabilisieren will. Es ging um Gold und Macht… und sie haben von einem Treffen gesprochen, das irgendwo im Westen stattfinden soll.“
Aramis’ Gedanken rasten. Diese Informationen könnten die Sicherheit der gesamten Region gefährden und eine noch größere Bedrohung darstellen als die Banditen, die sie gerade besiegt hatten. „Wir müssen das herausfinden,“ sagte er entschlossen. „Wo sind die anderen Gefangenen?“
Die Frau zeigte auf eine weitere Kammer des Turms. „Da drüben. Aber… sie haben uns nicht alles gesagt. Vielleicht gibt es Hinweise in den Aufzeichnungen der Banditen. Sie hatten einiges an Dokumenten bei sich.“
Aramis nickte und wandte sich an Henri. „Wir sollten nach den Dokumenten suchen und die Gefangenen hier in Sicherheit bringen. Dann machen wir uns sofort auf den Weg zum Treffpunkt.“
Während Henri den anderen Soldaten Anweisungen gab, durchsuchte Aramis die Kammer nach den fehlenden Dokumenten. Zwischen den Überresten der Banditen und verstreuten Gegenständen fand er schließlich eine kleine, feine Truhe, die mit einem einfachen Schloss verschlossen war. Nach einem kurzen Moment des Suchens fand er einen Schlüssel und öffnete die Truhe.
Darinnen lagen eine Reihe von Schriftrollen und Karten, die sich offensichtlich auf die Pläne der Banditen bezogen. Aramis breitete sie auf einem flachen Stein aus und betrachtete die verworrenen Notizen und Skizzen. Es wurde schnell klar, dass die Banditen tatsächlich einen weitreichenden Plan verfolgten, um die Region in Unruhe zu versetzen. Die Karten zeigten mehrere markierte Punkte entlang der Grenze, und es gab Hinweise auf verdeckte Aktionen und geplante Überfälle.
„Das hier ist viel größer als wir dachten,“ murmelte Aramis, während er sich die Karten und Notizen ansah. „Wir müssen schnell handeln.“
Auf leisen Sohlen
Sie Sonne stand bereits hoch am Himmel, als Aramis und Henri die Entscheidung trafen, sich mit zwei weiteren Soldaten von der Hauptgruppe zu trennen. Sie standen am Rand des Waldes, während die Sonnenstrahlen über die Baumwipfel huschten. Der Marsch zu der Elfenruine war beschwerlich gewesen, und die Befreiung der Dorfbewohner hatte ihren Tribut gefordert. Doch jetzt stand eine noch dringlichere Aufgabe bevor.
„Henri, wir können nicht riskieren, dass diese Verschwörer entkommen,“ sagte Aramis, seine Stimme fest. „Wir müssen zum Treffpunkt reiten und herausfinden, wer hinter all dem steckt. Die anderen sollen zurück zur Feste und Junker de Fréne warnen.“
Henri nickte, sein Blick ernst. „Zwei von uns sind genug, um die Umgebung zu erkunden. Der Rest wird sicherstellen, dass die Dorfbewohner in Sicherheit kommen.“
Die Soldaten, die sie begleitet hatten, schlossen sich den Befreiten an und zogen mit den Verletzten und Toten zurück in Richtung Vedette. Aramis und Henri wählten zwei ihrer besten Reiter, um sie zu begleiten. Sie konnten auf keine Überraschungen verzichten, und jeder Mann zählte. Die kleine Gruppe machte sich auf den Weg, während die Sonne über die Hügel und Wälder stieg.
Aramis ritt an der Spitze, sein weißes Schlachtross Berek führte die kleine Gruppe sicher durch das Dickicht. Doch seine Plattenrüstung, so unverzichtbar sie im Kampf auch war, erwies sich als hinderlich, wenn es darum ging, leise zu agieren. Jeder Schritt seines Pferdes, jede Bewegung seines Körpers ließ das Metall leise, aber unüberhörbar klirren.
„Du klingst wie eine wandelnde Schmiede, Aramis,“ murmelte Henri, als sie einen besonders steilen Anstieg hinaufkletterten. „Vielleicht sollten wir das nächste Mal überlegen, dich in etwas Leichteres zu stecken.“
Aramis lächelte leicht, trotz der Anspannung in der Luft. „Wenn ich das überlebe, werde ich darüber nachdenken,“ erwiderte er. „Aber jetzt müssen wir uns auf das konzentrieren, was vor uns liegt.“
Nach Stunden des mühsamen Ritts erreichten sie schließlich die Gegend, die auf den Karten als Treffpunkt markiert war. Es war eine alte Lichtung, umgeben von hohen, dichten Bäumen, deren Äste sich über ihnen wie eine schützende Kuppel wölbten. Der Mond war nur ein schmaler Sichelstreifen am Himmel, und die Finsternis war nahezu vollständig.
Aramis hielt an, seine Augen erforschten die Umgebung. „Hier müssen sie sich treffen,“ sagte er leise. „Wir sind früher da als sie.“
„Wir sollten uns ein Versteck suchen,“ schlug Henri vor. „Etwas, das uns genug Sicht auf die Lichtung gibt, aber gleichzeitig Schutz bietet.“
Die beiden Soldaten, die mit ihnen gekommen waren, nickten und begannen, die Umgebung nach geeigneten Verstecken abzusuchen. Schließlich fanden sie eine Gruppe dichter Sträucher und einen umgestürzten Baumstamm, die ihnen Deckung boten. Es war nicht perfekt, aber es würde ausreichen.
Aramis legte seine Hand auf die kalte Rinde des Baumstamms und spähte durch die dichten Zweige hinaus auf die Lichtung. Seine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit, und er konnte die Bewegung jedes Blattes, das im Wind raschelte, und jeden Schatten, der sich zwischen den Bäumen bewegte, erkennen.
„Jetzt heißt es warten,“ flüsterte Henri, der sich neben ihn gekauert hatte. „Mit etwas Glück kommen sie bald, und wir können herausfinden, was sie vorhaben.“
Aramis nickte, seine Hand ruhte fest auf dem Griff seines Schwertes. Der metallische Geruch des Blutes und die bitteren Erinnerungen an die Verluste bei der Elfenruine waren noch frisch in seinem Geist. Doch er verdrängte die Gefühle, fokussierte sich auf die bevorstehende Aufgabe. In dieser stillen, bedrohlichen Nacht schien selbst die Dunkelheit Geheimnisse zu flüstern.
Die Minuten verstrichen, während Aramis, Henri und die beiden Soldaten regungslos in ihrem Versteck verharrten. Sie lauschten auf jedes Geräusch, jedes Rascheln, das auf die Ankunft der Verschwörer hindeuten könnte. Die Spannung wuchs mit jeder verstreichenden Sekunde, und Aramis konnte das leise Pochen seines Herzens in seiner Brust spüren.
Und dann, endlich, hörte er es. Das leise Knirschen von Hufen auf dem Waldboden, das leise Murmeln von Stimmen, die näher kamen. Die Verschwörer hatten den Treffpunkt erreicht. Aramis presste sich tiefer in sein Versteck, bereit, die Wahrheit hinter den Machenschaften zu enthüllen, die die Grenzen von Toussaint bedrohten.
Die Verschwörer
Im Schatten der Nacht, verborgen zwischen dichten Sträuchern und dem umgestürzten Baumstamm, lag Aramis regungslos. Neben ihm Henri, ebenso angespannt und konzentriert. Die zwei Soldaten, die mit ihnen kamen, hielten die Umgebung im Blick, während sie auf den Treffpunkt starrten, wo das leise Murmeln von Stimmen in die Stille der Nacht drang. Die Verschwörer waren endlich eingetroffen.
Aramis‘ Augen waren auf die Gestalten gerichtet, die in den schwachen Mondschein traten und sich in der Mitte der Lichtung trafen. Es waren drei Männer, jeder begleitet von einer Handvoll Wachen. Ihre Silhouetten zeichneten sich dunkel gegen den fahlen Schein des Mondes ab, doch als sie näherkamen, konnte Aramis die Details erkennen.
Der erste Mann, ein bulliger Kerl in dunkler, schwerer Kleidung, war unverkennbar ein Söldnerhauptmann. Sein Gesicht war von Narben durchzogen, und sein grimmiger Ausdruck sprach Bände über seine Natur. Neben ihm ein Mann in einer prächtigen, jedoch abgenutzten Rüstung, die das Wappen eines Barons aus Toussaint trug. Der dritte jedoch, mit einer Haltung, die Autorität und Arroganz ausstrahlte, war anders gekleidet. Seine Uniform war schwarz und schlicht, aber die präzise, disziplinierte Art, wie er sich bewegte, und das Abzeichen am Kragen verrieten ihn als kaiserlichen Offizier.
„Die Dörfer brennen. De Fréne wird die Flammen aus der Ferne sehen,“ begann der Söldnerhauptmann mit rauer Stimme. „Er hat bereits einen Großteil seiner Männer ausgesandt, um die Dörfer zu schützen. Wenn der Angriff kommt, wird seine Festung nur noch schwach verteidigt sein.“
Der Baron nickte, ein kaltes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Alles verläuft nach Plan. Sobald Vedette fällt, ist der Weg nach Beauclair offen. Der Herzog wird keine andere Wahl haben, als sich dem Kaiser zuzuwenden, wenn die Gefahr über die Grenze kommt.“
Der kaiserliche Offizier trat vor, seine Stimme war leise, aber jedes Wort trug das Gewicht einer unausgesprochenen Drohung. „Der Kaiser wünscht keinen offenen Konflikt. Toussaint ist eine Provinz des Reiches. Was er braucht, ist ein Grund, seinen Einfluss zu verstärken. Wenn der Herzog um Hilfe bittet, wird Nilfgaard nicht zögern, Truppen zu entsenden, um die Grenze zu sichern.“
„Ein diplomatisches Spiel,“ murmelte der Baron, „aber mit einem blutigen Einsatz.“
„Genau,“ bestätigte der Offizier, „die fahrenden Ritter von Toussaint haben bisher dafür gesorgt, dass die nördlichen Grenzen sicher sind. Doch wenn de Fréne fällt und die fahrenden Ritter verstreut sind, wird der Herzog keine andere Wahl haben, als sich an den Kaiser zu wenden.“
Aramis‘ Herz schlug schneller, als er die Worte der Männer hörte. Die Realität dessen, was hier geschah, traf ihn wie ein Schlag. Dies war kein einfacher Banditenangriff. Es war eine ausgeklügelte Intrige, eine Verschwörung, die darauf abzielte, Toussaint zu destabilisieren und es in eine schwächere Position gegenüber dem Kaiserreich zu bringen. Diese Männer planten nichts Geringeres als die Manipulation des Herzogtums, um es unter die volle Kontrolle Nilfgaards zu zwingen.
Henri warf Aramis einen besorgten Blick zu. Sie beide wussten, dass sie schnell handeln mussten. Doch zuerst mussten sie mehr erfahren. Vielleicht würden sie einen weiteren Hinweis preisgeben, etwas, das ihnen half, diese Verschwörung zu durchkreuzen.
„Wann genau soll der Angriff auf die Feste stattfinden?“ fragte der Söldnerhauptmann, seine Stimme klang gierig nach Blut.
„Kurz vor der Morgendämmerung,“ antwortete der Offizier. „Bis dahin müssen wir sicherstellen, dass die Männer von de Fréne zu weit verstreut sind, um schnell reagieren zu können. Ihr wisst, was zu tun ist.“
Der Söldnerhauptmann nickte, ein böses Grinsen zog sich über sein Gesicht. „Lasst es die Hunde spüren, dass das Reich keine Schwächen duldet.“
Aramis spürte, wie sich sein Griff um das Heft seines Schwertes verfestigte. Sie mussten sofort handeln. Das Schicksal von Toussaint hing davon ab, dass diese Verschwörer gestoppt wurden—und sie würden alles in ihrer Macht stehende tun, um das zu erreichen.
Die Entscheidung
Aramis kniete reglos im Unterholz, während sein Herz wie ein Hammerschlag gegen seine Rippen pochte. Der kalte Schweiß auf seiner Stirn vermischte sich mit dem Staub des langen Ritts. Vor ihm standen die Verschwörer, ihre Stimmen trugen die Pläne, die das Schicksal von Toussaint für immer verändern könnten, leise durch die kühle Nachtluft. Er konnte jede einzelne Bewegung der Männer beobachten, konnte spüren, wie die Gefahr um sie herum wie eine Schlinge enger wurde.
Henri, neben ihm, atmete ruhig und gleichmäßig, doch Aramis erkannte den gleichen inneren Kampf in den Augen seines Kameraden. Die Frage hing schwer in der Luft zwischen ihnen: Was sollten sie tun?
Die Verschwörer jetzt zu stellen, war die eine Möglichkeit. Mit einem gezielten Schlag könnten sie die Intrige beenden, bevor sie wirklich begann. Doch die Männer dort draußen waren vorbereitet und in der Überzahl. Aramis wusste, dass ein Angriff von vier Mann—selbst wenn sie die besten Kämpfer wären—gegen einen gut bewaffneten und zahlenmäßig überlegenen Feind nichts weniger als ein Himmelfahrtskommando wäre. Sie könnten vielleicht den einen oder anderen niederstrecken, aber die Chancen standen gut, dass keiner von ihnen lange überleben würde, um die Geschichte zu erzählen.
Und dann wäre alles verloren. Vedette würde fallen. Toussaint könnte in Chaos und Dunkelheit versinken, die Verschwörer ihre Pläne weiterverfolgen, ungestört durch den Verlust weniger Männer. Das Risiko war zu groß.
Auf der anderen Seite quälte ihn der Gedanke, nichts zu tun. Die Verschwörer entkommen zu lassen, bedeutete, dass sie ihre finsteren Absichten in die Tat umsetzen konnten. Sie könnten das gesamte Herzogtum in eine Krise stürzen, die weitaus größer war, als sich Aramis je hätte vorstellen können.
Er drehte leicht den Kopf zu Henri, der ihn mit einem fragenden Blick ansah, still darauf wartend, dass Aramis die Entscheidung traf. Als der Ritter die Anspannung in Henris Augen sah, erkannte er, dass sein Kamerad dieselben Überlegungen anstellte.
Aramis schloss die Augen und holte tief Luft. In ihm tobte ein Kampf—die stürmische Leidenschaft, die ihn zum sofortigen Handeln drängte, gegen die kühle, kalkulierende Vernunft, die das größere Bild sah.
Schließlich öffnete er die Augen, die Entschlossenheit in ihnen unmissverständlich. „Wir ziehen uns zurück,“ flüsterte er leise, seine Stimme fest. „Wir müssen Junker de Fréne warnen. Das, was wir wissen, ist zu wichtig. Wir dürfen unser Leben hier nicht verschwenden.“
Henri nickte langsam, und auch die beiden Soldaten hinter ihnen ließen ihren angespannten Griff auf ihre Schwerter etwas lockerer. Sie hatten verstanden. Es gab Zeiten, da musste ein Ritter kämpfen, und Zeiten, da musste er klug genug sein, um den Kampf zu meiden—damit er später den entscheidenden Schlag führen konnte.
Mit einer leisen Geste bedeutete Aramis seinen Männern, sich lautlos zurückzuziehen. Jeder Schritt, den sie machten, war vorsichtig und durchdacht, um kein Geräusch zu verursachen, das die Verschwörer auf sie aufmerksam machen könnte. Als sie schließlich den Rand des Waldes erreichten, konnte Aramis endlich freier atmen. Doch die Anspannung blieb, wie ein Knoten in seiner Brust.
„Wir reiten sofort zurück nach Vedette,“ sagte er leise zu Henri, als sie wieder sicher in den Sattel stiegen. „Junker de Fréne muss wissen, was hier vor sich geht. Wir haben keine Zeit zu verlieren.“
Henri nickte, seine Miene ernst. „Wir müssen schnell sein. Wenn die Morgendämmerung kommt, könnten wir zu spät sein.“
Aramis gab Berek die Sporen, und das weiße Schlachtross setzte sich augenblicklich in Bewegung, gefolgt von den anderen. Der dunkle Wald verschluckte sie rasch, während die Lichter des Treffpunkts hinter ihnen verblassten.
Aramis‘ Gedanken rasten, während sie durch die Nacht ritten. Die Gefahr war nicht vorüber—sie hatte gerade erst begonnen. Doch er wusste, dass sie noch eine Chance hatten, das Unheil abzuwenden. Und er würde alles tun, was in seiner Macht stand, um sicherzustellen, dass die Verschwörer ihre Pläne nicht verwirklichen konnten.
Der Gewaltritt
Die Nacht lag schwer auf den Wäldern von Toussaint, als Aramis und seine kleine Gruppe ihre Pferde antrieben. Berek, sein treues Schlachtross, schnaubte unter ihm, der heiße Atem des Tieres dampfte in der kühlen Luft. Aramis spürte den kraftvollen Rhythmus der Hufe, die mit jedem Schritt den Boden erschütterten. Neben ihm hielt Henri sein eigenes Pferd im vollen Galopp, die Gesichter der Soldaten angespannt und entschlossen.
„Lauf, Berek, lauf!“ flüsterte Aramis eindringlich, während er sich tiefer in den Sattel drückte und seinen Körper dicht an den Hals des Pferdes schmiegte. Der Wind heulte in seinen Ohren, zerrte an den Riemen seiner Rüstung, und die kalte Nachtluft biss ihm ins Gesicht, aber Aramis konzentrierte sich nur auf die dunklen Schatten der Bäume, die an ihnen vorbeiflogen. Jeder Ast, jedes dicke Wurzelwerk konnte zur Falle werden, und in diesem Wahnsinnsritt bedeutete ein Sturz möglicherweise den Tod.
Er schloss die Augen einen Moment lang, vertraute auf Bereks Instinkte, während der gewaltige Hengst sich seinen Weg durch die Dunkelheit bahnte. Die Bäume schienen näher zusammenzurücken, als ob der Wald selbst sie aufhalten wollte. Die scharfen Konturen der Äste wirkten wie Krallen, die nach ihnen griffen, doch Berek wich ihnen geschickt aus, als wisse er um die Gefahren der Nacht.
Aramis wagte einen kurzen Blick zu Henri, dessen Kiefer vor Anspannung fest zusammengebissen war. Der junge Hauptmann ritt mit derselben Entschlossenheit, sein Pferd eine fließende Bewegung unter ihm, der Blick fest auf das unsichtbare Ziel gerichtet. Aramis wusste, dass sie beide das gleiche dachten: Sie mussten Vedette erreichen, bevor es zu spät war.
Die Pferde wurden nicht geschont; die Notwendigkeit, die Festung rechtzeitig zu erreichen, brannte in ihnen wie ein glühendes Eisen. Doch selbst im rasenden Tempo spürte Aramis die Erschöpfung, die in seine Glieder kroch, die brennenden Muskeln seiner Arme und Beine, die unaufhörliche Anstrengung, sich im Sattel zu halten. Das donnernde Hufgetrappel der Pferde war das einzige Geräusch in der unheimlichen Stille der Nacht, als sie weiter nach Vedette jagten.
Plötzlich neigte sich der Pfad steil abwärts. Aramis hielt den Atem an, zog die Zügel nur einen Hauch zurück, um Berek nicht ins Stolpern zu bringen. Der Hengst reagierte instinktiv, setzte vorsichtiger die Hufe auf den unebenen Boden, doch die Geschwindigkeit blieb beängstigend hoch. Der Wald schien sich um sie zu drehen, die Bäume wie Geister, die aus der Dunkelheit auf sie zu sprangen.
Die Landschaft veränderte sich allmählich. Sie ließen die dichten Wälder hinter sich, das Land öffnete sich und bot gelegentlich einen Blick auf den Himmel, der sich langsam im Osten aufhellte. Doch die ersten Anzeichen der Dämmerung brachten Aramis keine Erleichterung, nur die drängende Erinnerung daran, dass die Zeit gegen sie arbeitete.
Ein schneller Blick nach oben zeigte ihm die Sterne, die immer noch über ihnen funkelten, aber ihre Leuchtkraft verblasste bereits. Der Morgen war nicht mehr fern, und Aramis wusste, dass die Verschwörer bald zuschlagen würden. Ein letztes Mal trieb er Berek an, das Pferd schnaubte erschöpft, gehorchte aber ohne Zögern.
Sie hatten keine andere Wahl. Sie mussten Vedette erreichen, und sie mussten es in einem Stück schaffen. Der Ritt war hart, gnadenlos, aber der Gedanke an das, was auf dem Spiel stand, trieb sie weiter vorwärts.
Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit des wilden Ritts, sahen sie die Umrisse der Festung in der Ferne aufragen. Die hohen Mauern wirkten in der Dämmerung wie eine trutzige Bastion gegen die drohende Dunkelheit. Aramis konnte die Wachen auf den Zinnen erkennen, winzige Gestalten, die nichts von der drohenden Gefahr ahnten, die auf sie zurollte.
„Haltet durch, nur noch ein kleines Stück!“ rief er den anderen zu, während er Berek in einen letzten Sprint trieb. Die Pferde schnoben schwer, doch sie gaben noch einmal alles, die Festung immer näher vor ihnen.
Die massiven Tore von Vedette öffneten sich weit, als sie an den Eingang heran galoppierten, und Aramis spürte, wie die Erschöpfung sich wie Blei in seine Glieder legte. Aber sie hatten es geschafft.
Vorbereitung auf die Schlacht
Die Morgendämmerung hatte Vedette erreicht und tauchte die Festung in ein gedämpftes, goldenes Licht. Aramis und seine Männer ritten durch die offenen Tore, ihre Pferde schweißgebadet und erschöpft von dem mörderischen Ritt durch die Nacht. Der Geruch von feuchter Erde und Rindendunst lag in der Luft, während die ersten Vögel zaghaft den neuen Tag begrüßten. Doch in Vedette herrschte bereits hektische Betriebsamkeit.
Junker de Fréne, wartete am Tor, flankiert von zwei seiner besten Männer. Seine Augen, hart wie Granit, musterten Aramis und Henri, während sie von ihren Pferden stiegen. Der Ritt hatte ihnen allen zugesetzt, aber die Entschlossenheit in Aramis‘ Blick ließ keinen Zweifel daran, dass sie keine Zeit zu verlieren hatten.
„Was ist geschehen?“ fragte de Fréne mit einem Funkeln in den Augen, das eher nach einer Antwort verlangte, als dass es sie erbat.
Henri trat vor, seine Stimme fest, aber leise genug, dass nur de Fréne und Aramis ihn hören konnten. „Verschwörer, Herr. Ein Baron aus Toussaint, ein Söldnerhauptmann und ein kaiserlicher Offizier. Sie planen einen Angriff auf die Festung. Die Banditenüberfälle waren nur eine Ablenkung, um eure Männer wegzulocken und Vedette zu schwächen.“
De Fréne stieß einen Fluch aus und wandte sich sofort seinen Männern zu. „Sammelt die Truppen! Jeder Mann, der eine Waffe halten kann, soll sich rüsten. Verstärkt die Wachen an den Mauern und bereitet den Wall auf einen Angriff vor. Wir dürfen keine Zeit verlieren.“
Der Junker schaute sich grimmig um und schritt durch den Innenhof, um die nötigen Befehle zu erteilen. Überall herrschte auf einmal eine fieberhafte Betriebsamkeit. Schmiede schürten ihre Feuer an, während Waffenknechte Klingen schliffen und Pfeilköcher füllten. Die Soldaten, die noch vor wenigen Stunden sich auf einen ruhigen Tag in der Festung eingestellt hatten, legten sich nun ihre Rüstungen an, überprüften ihre Schwerter und Speere und blickten in die Richtung, aus der der Angriff erwartet wurde.
Aramis wusste, dass die Männer, die heute kämpften, vielleicht nicht alle überleben würden. Doch die Möglichkeit, dass ihre Entschlossenheit und Tapferkeit die Intrige zerschlagen und Toussaint vor einer Katastrophe bewahren könnten, ließ ihn den Schmerz und die Müdigkeit verdrängen.
Henri Bernard, noch jung, aber mit der Entschlossenheit eines erfahrenen Soldaten, stand neben Aramis. „Was jetzt?“ fragte er, die Augen wachsam, den Blick stets in Bewegung.
„Wir werden die Männer an den Mauern unterstützen,“ antwortete Aramis, während er seine Plattenrüstung überprüfte und die Spangen fester zog. „Diese Verschwörer glauben, dass sie uns überrascht haben, aber wir werden bereit sein. Wir müssen ihnen zeigen, dass wir die Ehre von Toussaint nicht so leicht besudeln lassen.“
Henri nickte, während er die Zügel seines Pferdes festhielt. „De Fréne hat die besten Männer, die wir uns wünschen können. Wenn sie kommen, werden wir bereit sein.“
Die Sonne begann sich allmählich über den Horizont zu schieben, während das Signalhorn von Vedette über das Land hallte, ein unmissverständlicher Ruf an alle, die die Festung verteidigen würden. Aramis griff nach seinem Schwert, spürte das kühle Metall der Klinge, die ihm vertraut war und die er in den kommenden Stunden womöglich oft brauchen würde.
„Zu den Mauern!“ rief de Fréne mit lauter Stimme, die über den Innenhof hallte, und die Männer folgten ihm in geordneter Eile.
Aramis und Henri folgten dem Befehl, ihre Schritte bestimmt und ohne Zögern. Der morgendliche Wind trug den fernen Klang von Hufgetrappel und Waffenklirren heran, ein unheilvolles Vorzeichen für das, was bald folgen würde.
Die Männer von Vedette stellten sich entlang der Zinnen auf, speicherten die letzten Befehle in ihren Köpfen und warteten auf das erste Zeichen des Feindes. Aramis zog sein Visier herunter, sein Atem wurde von dem Metall der Rüstung gedämpft, und bereitete sich innerlich auf die bevorstehende Schlacht vor.
In diesem Moment war er nicht nur ein Ritter, sondern auch ein Wächter, ein Soldat, ein Verteidiger seines Landes. Die Ehre der Familie du Lac ruhte nun auf seinen Schultern. Mit jedem Herzschlag spürte er die bevorstehende Konfrontation näher rücken.
Die Schlacht würde bald beginnen.
Der Beginn der Schlacht
Die ersten Sonnenstrahlen hatten die Landschaft gerade erst in ein blasses Licht getaucht, als die Angreifer den Horizont überfluteten. Wie eine träge, dunkle Wolke zog die Streitmacht auf Vedette zu, ihre Rüstungen und Waffen glitzerten in der Ferne. Doch dieser Glanz war nur eine trügerische Fassade für das bevorstehende Chaos.
Auf den Zinnen der Festung stand Aramis, seine Augen fest auf die heranrückende Bedrohung gerichtet. Neben ihm waren Henri und die übrigen Männer von Vedette, ihre Gesichter gezeichnet von Anspannung und Entschlossenheit. Niemand sprach, das einzige Geräusch war das dumpfe Dröhnen der Schritte und das leise Klirren der Waffen, das von unten emporstieg.
„Da kommen sie,“ murmelte Henri, seine Hand um den Griff seines Schwertes geklammert.
Aramis nickte stumm, seine Augen verengten sich, als er die Einzelheiten der Angreifer ausmachte. Vorneweg marschierten Fußsoldaten, dicht gefolgt von einer Gruppe schwer gepanzerter Männer, die Sturmleitern trugen. Dahinter rollte ein mächtiger Rammbock, gezogen von kräftigen Pferden und flankiert von weiteren Kriegern. Weit im Hintergrund, kaum sichtbar, ragte das hölzerne Gerüst eines Katapults in die Höhe, ein bedrohlicher Schatten gegen den Morgenschein.
„Macht euch bereit!“ rief Junker de Fréne von der gegenüberliegenden Mauerkrone. Seine Stimme hallte über den Innenhof, und die Männer an den Wällen griffen fester nach ihren Waffen. Bogenschützen traten vor, spannten die Sehnen ihrer Bögen und warteten nur auf das Signal.
Die Stille, die über der Festung lag, war erdrückend. Jeder wusste, dass es sich um die Ruhe vor dem Sturm handelte.
Die Angreifer blieben kurz vor der Festung stehen, als ob sie die Mauern und Verteidigungsanlagen abschätzen wollten. Dann ertönte ein Befehl, scharf und durchdringend, und die Reihen setzten sich wieder in Bewegung. Die ersten Soldaten, die die Sturmleitern trugen, stürmten vor, begleitet von dem donnernden Klang der Trommeln, die den Rhythmus des Angriffs bestimmten.
„Bogenschützen, bereitmachen!“ schrie de Fréne über das Schlachtfeld hinweg. Die Männer neben ihm hoben ihre Bögen, zielten auf die heranstürmende Menge und warteten auf den Moment, in dem die Angreifer in Reichweite kommen würden.
Dann kam das Signal. Ein einzelner Pfeil schoss von einer der Zinnen empor und durchbrach das Gebrüll der Angreifer mit einem langgezogenen pfeifenden Ton. Sofort folgte ein Hagel aus Pfeilen, die zischend durch die Luft schossen und in die vorderen Reihen der Angreifer einschlugen. Schreie mischten sich mit dem klirrenden Klang von Metall auf Metall, als die ersten Feinde zu Boden gingen, getroffen von den tödlichen Geschossen.
Doch die Angreifer waren zahlreich und unbeeindruckt von den Verlusten. Die Sturmleitern erreichten die Mauern, und die ersten Männer begannen, hinaufzuklettern. Aramis konnte die Wut in ihren Augen sehen, die Entschlossenheit, die Festung zu stürmen und alles zu vernichten, was sich ihnen in den Weg stellte.
Gleichzeitig rollte der Rammbock nach vorne, sein massiver Kopf stieß mit donnerndem Knall gegen das Tor von Vedette. Die Holzbalken ächzten unter der Wucht der Schläge, doch die Verteidiger auf den Zinnen ließen nicht nach. Sie warfen Steine und kochendes Pech auf die Feinde unter ihnen, um das Vorrücken zu erschweren, doch die Angreifer rückten weiter vor, getrieben von der Aussicht auf den nahenden Sieg.
Dann hörte Aramis das Geräusch, das er gefürchtet hatte: das Katapult, das sich mit einem gewaltigen Ruck in Bewegung setzte. Der massive Felsblock, der von der Belagerungsmaschine geschleudert wurde, flog in einer hohen Kurve auf die Festung zu. Die Männer auf den Mauern duckten sich instinktiv, als das Geschoss krachend in die Steinwände einschlug und ein Stück der Mauer absplitterte. Trümmer und Staub stoben in alle Richtungen.
„Haltet die Stellung!“ brüllte de Fréne, seine Stimme überschlug sich fast vor Anstrengung. „Lasst sie nicht durchbrechen!“
Aramis zog sein Schwert, das im Licht der aufgehenden Sonne blitzte, und machte sich bereit, die ersten Angreifer zu empfangen, die die Mauer erklimmen würden. Die Zeit für Vorbereitungen war vorbei, jetzt zählte nur noch das nackte Überleben.
Die Feinde erreichten den Rand der Mauer, und ein wildes Schlachten begann. Schwertklingen kreuzten sich, Blut spritzte, und die Schreie der Verwundeten erfüllten die Luft. Aramis kämpfte mit all seiner Kraft, blockte Schläge ab und stieß seine Klinge in die Rüstungen der Angreifer. Doch es schien, als kämen immer mehr von ihnen, als seien ihre Reihen endlos.
Ein weiterer Schuss des Katapults traf die Mauern von Vedette, diesmal noch näher an den Zinnen, wo Aramis kämpfte. Der Aufprall ließ den Boden unter seinen Füßen erbeben, doch er stand fest, entschlossen, die Festung und ihre Verteidiger um jeden Preis zu schützen.
Die Schlacht hatte gerade erst begonnen, und das Schicksal von Vedette hing am seidenen Faden.
Der erbitterte Kampf um die Mauern
Der Kampf tobte in einer chaotischen Symphonie aus Stahl, Blut und verzweifelten Schreien. Die Verteidiger auf den Mauern von Vedette kämpften mit der Entschlossenheit von Männern, die wussten, dass es kein Zurück mehr gab. Jeder Schritt, den die Angreifer vorwärts machten, war hart erkauft, jeder Schlag eine Entscheidung über Leben und Tod.
Aramis stand mitten im Getümmel, seine Bewegungen schnell und präzise, seine Klinge ein schimmernder Blitz in der Morgendämmerung. Neben ihm kämpfte Henri mit der Wut eines Mannes, der sein Heim verteidigte. Mit einem mächtigen Hieb schlug er einen der Angreifer zurück, nur um sofort den nächsten entgegenzutreten.
Die Mauern, einst die undurchdringliche Barriere von Vedette, waren nun ein Schlachtfeld. Überall um ihn herum hörte Aramis das Klirren von Stahl, das Stöhnen der Verwundeten und das Schlagen von Füßen auf den steinernen Zinnen. Ein Angreifer stürzte mit einem verzweifelten Schrei über die Mauerkrone, als Aramis ihn mit einem kraftvollen Stoß seines Schildes zurückwarf. Er verschwand im Getümmel am Fuße der Mauer, und sein Todesschrei verklang im Gebrüll der Angreifer.
„Haltet die Linien!“ rief Aramis, seine Stimme heiser vor Anstrengung. Er war blutverschmiert, sein Atem ging schwer, doch in seinen Augen brannte noch das Feuer des Kampfes.
Aber die Angreifer waren unaufhaltsam. Immer wieder warfen sie ihre Sturmleitern gegen die Mauern und erklommen sie, während die Verteidiger verzweifelt versuchten, sie zurückzuschlagen. An einer Stelle hatte eine Gruppe von Söldnern einen Fuß auf die Zinnen gesetzt und schlug mit brutaler Effizienz auf die Verteidiger ein. Aramis sah, wie einer der Männer von Vedette niedergestreckt wurde, und ein roter Blutnebel hing für einen Moment in der Luft.
Mit drei raschen Schritten war er bei den Angreifern, seine Klinge traf den ersten mit einem schnellen Schnitt über den Hals. Blut spritzte, und der Mann sank zu Boden, bevor er begriff, was geschehen war. Der zweite drehte sich mit gehobenem Schwert um, doch Aramis war schneller. Er parierte den Schlag, drehte sich blitzschnell und rammte seine Klinge in die Lücke unter dem Helm des Mannes.
Der Kampf war unbarmherzig und unerbittlich. Ein weiterer Schlag, diesmal von der Seite, ließ Aramis taumeln. Ein Schmerz blitzte durch seine Rippen, wo ein gegnerisches Schwert eine schwache Stelle in seiner Rüstung gefunden hatte. Er biss die Zähne zusammen, schlug jedoch blindlings zurück, und der Angreifer wich erschrocken zurück, als er das Entschlossene in Aramis’ Blick sah.
Henri war unterdessen damit beschäftigt, eine Sturmleiter abzuwehren, die gerade von weiteren Angreifern erklommen wurde. Mit einem wütenden Schrei stieß er das massive Holzgebilde zurück, und die Männer darauf stürzten in die Tiefe. Doch kaum war das getan, sah er, dass zwei weitere Leitern aufgestellt wurden.
„Wir werden sie nicht ewig aufhalten können!“ Henri keuchte, seine Brust hob und senkte sich in schnellem Rhythmus. „Sie kommen von allen Seiten!“
Aramis wusste, dass sein Freund recht hatte. Die Angreifer waren zu zahlreich, ihre Entschlossenheit zu groß. Der Druck auf die Mauern nahm mit jeder Sekunde zu, und die Verteidiger wurden langsam an ihre Grenzen getrieben.
Ein dumpfer Knall ließ die Mauer unter ihren Füßen erzittern, als das Katapult erneut einen Felsbrocken gegen die Festung schleuderte. Dieser traf die Mauer direkt unterhalb von Aramis und Henri. Steine splitterten, ein Teil der Mauer bröckelte ab und riss die Männer auf den Zinnen beinahe mit sich. Aramis klammerte sich mit aller Kraft an die Zinnen und schaffte es, sich wieder aufzurichten.
„Runter von der Mauer!“ schrie Junker de Fréne aus der Ferne. „Verteidigt das Tor!“
Doch der Rückzug war schwieriger, als es schien. Die Angreifer waren bereits auf der Mauer, kämpften sich durch die Verteidiger, und das Chaos war unübersehbar. Aramis wusste, dass es jetzt keine Zeit mehr für Zweifel gab. Wenn sie Vedette halten wollten, mussten sie sich sammeln und das Tor verteidigen – die letzte Barriere zwischen den Angreifern und dem Innenhof der Festung.
Er packte Henri am Arm, zog ihn zurück und schrie den anderen Männern zu, ihm zu folgen. Sie kämpften sich durch die Reihen der Angreifer, die immer wieder versuchten, sie zu umzingeln, aber Aramis’ Entschlossenheit und Henris unnachgiebiger Mut brachten ihnen den notwendigen Raum.
„Zum Tor!“ rief Aramis erneut, und die Männer folgten ihm, sich hinter die inneren Mauern zurückziehend, während sie die Angreifer so gut es ging abwehrten. Die Mauern waren verloren, aber das Tor würde halten – oder zumindest hoffte Aramis das, als er die letzten Schritte zur inneren Befestigung machte.
Der Kampf am inneren Tor
Aramis und die verbliebenen Verteidiger hetzten durch den schmalen Korridor, der zur inneren Befestigung von Vedette führte. Jeder Atemzug brannte in Aramis’ Lunge, und er konnte den Schmerz in seinen Rippen spüren, wo die gegnerische Klinge ihn getroffen hatte.
Hinter ihnen stürmten die Angreifer die äußeren Mauern, ihre Rufe und das Klirren von Waffen erfüllten die Luft. Aramis wusste, dass sie keine Zeit mehr hatten. Wenn das innere Tor fiel, hätten sie nur noch den Bergfried als letzten Rückzugsort.
Die Männer erreichten das innere Tor und positionierten sich in einer verzweifelten Formation, während Junker de Fréne Befehle brüllte. Das Tor war massiv, aus schwerem Eichenholz gefertigt und mit Eisenbändern verstärkt. Es war die letzte Barriere zwischen den Verteidigern und den Angreifern. Die Männer formierten sich in einer Linie dahinter, ihre Schilde erhoben, die Schwerter bereit.
Aramis nahm seinen Platz neben Henri ein, der blutverschmiert, aber ungebrochen war. Der junge Hauptmann atmete schwer, doch in seinen Augen glomm noch immer derselbe unerschütterliche Mut, der ihn durch den ganzen Kampf getragen hatte.
„Wir halten, was auch kommen mag“, sagte Aramis mit einer Festigkeit, die er mehr für sich selbst als für Henri sprach.
Henri nickte nur, seine Kiefer waren fest aufeinandergepresst. Es gab nichts mehr zu sagen, nur noch zu kämpfen.
Plötzlich dröhnte das erste Krachen gegen das Tor, als der Rammbock der Angreifer auf das Holz einschlug. Das Tor erbebte unter der Wucht, doch es hielt. Noch. Ein zweites und drittes Mal schlug der Rammbock zu, und diesmal hörte Aramis das Ächzen des Holzes, als die Bänder sich unter der Belastung verbogen.
„Haltet euch bereit!“ rief de Fréne. Seine Stimme war klar und laut, trotz des Lärms und der Bedrohung, die sich gegen sie richtete.
Wieder und wieder krachte der Rammbock gegen das Tor, und dann… gab das Holz nach. Ein Splitterregen flog durch die Luft, als die ersten Angreifer den Bruch nutzten, um ihre Waffen hindurchzustoßen. Die Verteidiger wichen zurück, formierten sich neu und drängten die Angreifer zurück. Aber immer mehr Männer drängten sich an der Bresche, und schließlich gab das Tor mit einem markerschütternden Knall nach.
Die Angreifer strömten durch das geöffnete Tor, eine Flut aus Stahl und Hass. Aramis hob sein Schwert und stürzte sich in den Kampf, während um ihn herum die Verteidiger versuchten, die Angreifer aufzuhalten. Die erste Welle prallte gegen ihre Schilde, und für einen Moment schien es, als könnten sie die Übermacht zurückhalten. Doch die Angreifer waren zu viele, zu entschlossen.
Ein wütender Söldner sprang auf Aramis zu, sein Schwert blitzte im fahlen Licht der Fackeln. Aramis parierte den Schlag und konterte mit einem schnellen Stoß, der den Mann in die Seite traf. Der Söldner stöhnte auf, taumelte zurück, doch schon war der nächste Gegner heran.
Henri kämpfte wie ein Berserker neben ihm, seine Klinge beschrieb tödliche Bögen, doch die Angreifer ließen nicht nach. Sie drängten immer weiter vor, die Verteidiger Schritt für Schritt zurückdrängend. Aramis spürte den Druck auf ihre Linie, der schier überwältigend war.
Ein weiterer Hammerschlag von einer Streitaxt traf Aramis’ Schild, ließ ihn beinahe die Balance verlieren, doch er hielt stand. Der Angreifer hob die Axt für einen weiteren Schlag, doch bevor er zuschlagen konnte, spaltete Aramis ihm mit einem präzisen Hieb den Schädel. Blut spritzte, und der Mann sank leblos zu Boden.
Doch kaum war dieser besiegt, folgte schon der nächste. Die Verteidiger waren müde, erschöpft von der endlosen Schlacht, und Aramis spürte, wie die Schläge der Angreifer schwerer wurden. Jeder Atemzug war eine Qual, jeder Schlag eine Anstrengung, die ihn weiter an den Rand der Erschöpfung brachte.
„Wir müssen durchhalten!“ rief er den Männern zu, die ihn hören konnten, doch seine Stimme ging im Lärm des Kampfes unter.
Aramis kämpfte mit allem, was er hatte, doch er wusste, dass die Zeit gegen sie arbeitete. Die Angreifer wurden immer zahlreicher, immer aggressiver. Der Druck auf ihre Linie wurde unerträglich, und er wusste, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis sie überwältigt würden.
Doch trotz der scheinbar aussichtslosen Lage ließ Aramis nicht nach. Mit jedem Schlag, den er ausführte, mit jedem Angreifer, den er niederschlug, wusste er, dass er für etwas Größeres kämpfte – für die Ehre, für das Land, für die Menschen, die auf sie zählten. Und dieser Gedanke gab ihm die Kraft, weiterzukämpfen, trotz der Schmerzen, trotz der Erschöpfung.
Henri neben ihm kämpfte ebenso erbittert. Doch auch er zeigte Zeichen der Erschöpfung. Blut tropfte von einer Wunde an seinem Arm, seine Bewegungen wurden langsamer, doch in seinen Augen brannte noch das Feuer des Überlebenswillens und so setzten sie ihren Kampf fort, während der Platz hinter dem inneren Tor von Vedette sich mit feindlichen Soldaten füllte. Die Sonne stand inzwischen hoch am Himmel und der Ausgang der Schlacht hing in der Schwebe, doch Aramis wusste eines: Sie würden nicht kampflos untergehen.
Die letzte Stunde der Schlacht war ein Wechselspiel zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Der Platz war übersät mit Leichnamen, Blut und dem Schutt des zerstörten Tores.
Aramis kämpfte sich durch die Menge der Feinde, seine Bewegungen waren jetzt von brutaler Effizienz geprägt. Der Schmerz, den er in seinen Rippen spürte, schien sich mit jedem Schlag zu verstärken, aber er kämpfte weiter. Die Angreifer waren nun nicht mehr nur Söldner und Banditen; auch gut ausgebildete kaiserliche Soldaten und Offiziere kämpften an ihrer Seite, was die Verteidigung noch verzweifelter machte.
Henri kämpfte neben ihm, sein Gesicht war von Blut und Schweiß bedeckt, und seine Bewegungen waren zunehmend müder, aber er schien nicht aufgeben zu wollen. Die beiden Männer kämpften sich durch die Angreifer, schufen sich einen kleinen Bereich des Atems in einem Meer aus Feinden, während sie versuchten, sich zu sammeln und eine bessere Position zu finden.
Junker de Fréne, der sich ebenfalls in den Kampf gestürzt hatte, war am Rande seiner Kräfte. Er hatte einige Wunden erlitten und kämpfte verzweifelt, um seine Männer zu koordinieren.
„Wir müssen und neuformieren!“ schrie Aramis, als er sich einen Weg durch die Feinde bahnte. „Sammelt euch bei mir!“
Doch die Worte waren kaum hörbar über das Chaos hinweg. Der letzte Widerstand der Verteidiger begann zu schwinden. Ein wilder, unkontrollierbarer Sturm überrollte die Verteidiger.
Aramis kämpfte sich durch die feindlichen Reihen, seine Klinge schnitt durch Rüstung und Fleisch, doch es schien, als wären die Feinde unerschöpflich. Der Boden war ein Schlachtfeld aus aufeinandertreffenden Klingen, Stöhnen und Blut. Jeder Schritt war eine Herausforderung, jeder Atemzug eine Qual.
Henri fiel neben ihm, ein Söldner hatte ihn am Bein verwundet. Aramis, der sich umdrehte, sah seinen Freund auf dem Boden liegen, umringt von Angreifern. Mit einem verzweifelten Aufschrei kämpfte er sich durch die Gegner und zog Henri auf seine Füße, der schwer atmend und blass war.
„Halt dich fest!“ rief Aramis, während er seinen Freund stützte und gleichzeitig die Angreifer zurückschlug.
Aber auch der letzte Widerstand der Verteidiger begann zu brechen. Immer mehr Angreifer strömten durch das Tor, und die Verteidiger wurden weiter zurückgedrängt
Aramis wusste, dass sie keine Chance mehr hatten. Der Rückzug war die einzige Möglichkeit, die noch verbleibenden Männer zu retten. „Rückzug! Rückzug zum Bergfried!“ brüllte er.
Mit Henri und den letzten verbleibenden Männern von Vedette an seiner Seite kämpfte sich Aramis zurück, kämpfte gegen die Feinde, die ihm den Weg versperrten. Der letzte Rückzug zum Bergfried war ein verzweifelter Kampf, aber sie erreichten das kleine Tor mit dem Fallgitter und mit einem letzten Aufbäumen schafften sie es den Bergfried hinter sich zu schließen und den Feind für den Moment auszusperren.
Die Männer waren erschöpft und verwundet. Aramis ließ seinen Blick schweifen und das ganze Ausmaß des Elends erfassen. Wie lange konnten sie noch durchhalten, bevor die Feinde auch diese letzte Bastion eroberten? Der Ausgang der Schlacht war entschieden, es war nur noch offen, wie sie das Ende gestalten würden.
Alles oder Nichts
Der Bergfried von Vedette war das letzte Bollwerk, ein Ort, an dem die Überlebenden sich sammelten und die verzweifelten Vorbereitungen für den letzten Ausfall trafen. Das Tor des Bergfrieds war verschlossen, die Mauern fest, doch jeder wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bevor die Angreifer auch diesen letzten Rückzugsort stürmten.
Die wenigen verbliebenen Männer standen in einem Kreis um Aramis, der schwer atmend vor ihnen stand. Ihre Gesichter waren gezeichnet von Blut, Schmutz und Verzweiflung, aber in ihren Augen flackerte der ungebrochene Wille, für Toussaint, für ihren Herzog, und für die Ehre ihrer Heimat zu kämpfen. Aramis hielt sein Schwert in der Hand, das immer noch das Blut der Feinde trug, und seine Stimme erhob sich, als er zu seinen Männern sprach.
„Für Toussaint!“ rief er, seine Stimme hallte durch den steinernen Saal. „Für den Herzog! Und mit dem Segen der Herrin vom See!“
Die Männer brüllten ihre Zustimmung, ihre Schreie waren wild und voller Entschlossenheit. Sie wussten, dass dies ihr letzter Kampf sein könnte, aber sie würden ihn mit allem führen, was sie hatten. Aramis sah Henri an, der neben ihm stand, noch immer von seinen Wunden gezeichnet, aber entschlossen, weiterzukämpfen.
Aramis schwang sich auf sein Schlachtross Berek, der trotz der Erschöpfung seines Reiters mit kraftvollen Schritten auf den Ausgang zuritt. Die Männer formierten sich hinter ihm, bereit, den letzten verzweifelten Ausfall zu wagen. „Für die Ehre! Für Toussaint!“ brüllte Aramis, und mit einem donnernden Hufschlag stürmten sie durch das Tor des Bergfrieds hinaus in die Nacht.
Der Innenhof war immer noch ein Chaos aus Feuer und Blut, die Angreifer hatten sich um den Bergfried gesammelt, bereiteten sich auf den Sturm vor. Doch Aramis und seine Männer kamen wie der Zorn selbst aus den Toren geschossen, ihre Schwerter blitzten im Licht der flackernden Fackeln, und ihre Schlachtrösser trugen sie wie ein Sturm über die Feinde hinweg.
Der Anführer der Angreifer, der Verräter, der Baron aus Toussaint, riss überrascht den Kopf hoch, als er die Reiter heranstürmen sah. Er hob sein Schwert, um seine Männer zu kommandieren, doch die Welle der Reiter schlug über ihm zusammen. Aramis sah ihn in der Menge, den Mann, der seine Heimat verraten hatte, und seine Augen verengten sich zu Schlitzen.
„Für Toussaint!“ schrie Aramis, als er auf den Baron zuritt. Mit einem mächtigen Schwung seines Schwertes schlug er durch die Reihen der Feinde, sein Blick war fest auf sein Ziel gerichtet. Der Baron hob sein Schwert, um den Schlag abzuwehren, doch Aramis’ Angriff war zu mächtig. Die Klingen trafen mit einem donnernden Aufprall aufeinander, und der Verräter wurde aus dem Sattel gehoben und zu Boden geschleudert.
Mit einer gewissen Genugtuung wendete sich Aramis dem nächsten Gegner zu, er würde noch so viele von diesen Verrätern mit sich reißen, bevor der der Herrin vom See gegenübertreten würde.
Doch in diesem Moment der Verzweiflung wurde das laute Getöse des Kampfes durch ein lautes klares Hornsignal durchbrochen, das durch die Nacht hallte. Aramis hielt inne, sein Blick schweifte über das Schlachtfeld, und in der Ferne sah er sie – Verstärkung. Eine Gruppe von fahrenden Rittern unter den Bannern von Toussaint, einige Soldaten unter dem Banner von Vedette und ein riesiger Mob von Bauern mit Sicheln und Mistgabeln bewaffnet stürmten den Hügel hinauf. Der Ruf von Vedette hatte die benachbarten Dörfer alarmiert, und diese tapferen Seelen waren herbeigeeilt, um in der Stunde der Not ihrem Herrn beizustehen.
Die Angreifer, die sich auf ihren scheinbar sicheren Sieg konzentriert hatten, fanden sich nun von allen Seiten umzingelt, und Panik breitete sich unter ihnen aus.
Aramis kämpfte sich weiter durch die Reihen der Feinde, sein Schwert in einem gnadenlosen Tanz des Todes. „Du Verräter!“ schrie er, als er sich auf den Baron stürzte. Der Baron, der sich mühsam auf die Beine gezwungen hatte, hob sein Schwert, doch er wusste, dass dies das Ende war.
Mit einem wuchtigen Hieb beendete Aramis das Leben des Verräters, das Blut des Barons spritzte über den Boden, und ein letzter keuchender Atemzug entwich seinen Lippen, bevor er zu Boden fiel. Die Moral der Angreifer brach endgültig zusammen, als sie sahen, dass ihr Anführer tot war, und in wilder Panik begannen sie, in alle Richtungen zu fliehen.
Die Verstärkung fiel den Feinden in den Rücken, zerschmetterte ihre Reihen mit unerbittlicher Macht. Die Nacht hallte wider vom Klirren der Schwerter und dem Schrei der Verwundeten, während die Verteidiger und die Neuankömmlinge gemeinsam den letzten Widerstand leisteten.
Als die Schlacht endlich zu Ende ging und der Morgen dämmerte, war Vedette ein Schauplatz des Sieges – aber auch des Verlustes. Aramis, schwer atmend, sein Schwert in der Hand, saß auf Berek inmitten der Überreste der Schlacht. Um ihn herum lagen die Toten und Verwundeten, doch der Bergfried von Vedette stand noch, und die Feinde waren besiegt.
Mit einem letzten, erschöpften Seufzer ließ Aramis sein Schwert sinken und schaute zum Himmel, wo die ersten Strahlen der Morgensonne über den Horizont krochen. Die Schlacht war gewonnen, doch der Preis war hoch gewesen. Aber für Toussaint, für die Ehre, und mit dem Segen der Herrin vom See, hatten sie standgehalten.
Der Morgen Danach
Als die ersten Strahlen der Morgensonne das blutgetränkte Schlachtfeld von Vedette erleuchteten, breitete sich eine Stille über die Festung aus, die nur vom leisen Stöhnen der Verwundeten und dem Knistern der langsam erlöschenden Feuer unterbrochen wurde. Der Rauch hing noch in der Luft, und der scharfe Geruch von Eisen und Asche drang in die Nasen der Überlebenden.
Aramis, das Schwert nun in die Scheide gesteckt, stand am Rand des Bergfrieds und ließ den Blick über das Chaos schweifen, das die Nacht hinterlassen hatte. Überall lagen die Leiber der Gefallenen, Freunde und Feinde gleichermaßen, ihre Gesichter starrten leer in den Himmel, als ob sie in den ersten Sonnenstrahlen noch einen letzten Hoffnungsschimmer suchten.
Der junge Ritter atmete tief ein, die kühle Morgenluft füllte seine Lungen, während sein Herz schwer in seiner Brust schlug. Zu viele gute Männer hatten ihr Leben gelassen, um Vedette zu verteidigen, und das Gewicht dieser Verluste lag schwer auf seinen Schultern.
Henri Bernard, ebenfalls gezeichnet von der Nacht, trat neben ihn. „Wir haben standgehalten, Aramis,“ sagte er leise, doch seine Stimme war von Trauer durchdrungen. „Aber der Preis…“
„Ja, der Preis war hoch,“ antwortete Aramis und sah zu den Mauern der Festung hinüber, wo die letzten Verteidiger die Leichen der Feinde über die Zinnen hinunterwarfen, um den Innenhof zu säubern. „Doch wir haben getan, was wir tun mussten. Für Toussaint, für unsere Heimat.“
Henri nickte stumm, während seine Augen über das Schlachtfeld wanderten. „Wir müssen die Verwundeten versorgen,“ sagte er nach einer Weile. „Und die Toten ehren.“
Aramis blickte auf die Überreste der gefallenen Kameraden und fühlte einen Stich in seinem Herzen. „Ja,“ sagte er. „Aber zuerst müssen wir der Herrin vom See danken, dass sie uns in dieser dunklen Stunde beigestanden hat.“
Die beiden jungen Männer, wandten sich zum Schrein der Herrin vom See, der in einer kleinen Nische in der Mauer des Bergfrieds verborgen war. Dort knieten sie nieder, ihre Hände falteten sich in stillem Gebet.
„Oh Herrin vom See,“ begann Aramis, seine Stimme bebte leicht. „Wir danken dir für deine Gunst und deinen Schutz in dieser Schlacht. Mögen die Seelen derer, die in deinem Namen gefallen sind, den ewigen Frieden finden.“
Henri sprach das Gebet leise mit, und gemeinsam verharrten sie eine Weile in stiller Andacht, während die ersten Sonnenstrahlen über die Zinnen krochen und die Schatten der Nacht verjagten.
Als das Gebet beendet war, erhoben sie sich langsam. Aramis fühlte eine seltsame Ruhe in sich, trotz der Dunkelheit, die sie umgeben hatte. Die Herrin hatte über sie gewacht, das wusste er, und das gab ihm die Kraft, weiterzumachen.
Zurück im Innenhof begannen die Männer, die Verluste zu zählen. Überall wurden die Leichen der Gefallenen sorgsam gesammelt, ihre Wunden wurden versorgt, ihre Körper mit Decken bedeckt. Die Überlebenden, einige schwer verwundet, wurden in die provisorischen Lazarette gebracht, wo sie von den verbliebenen Heilern versorgt wurden.
Aramis und Henri halfen, wo sie konnten. Sie verbanden Wunden, trugen die Toten fort und sprachen den Überlebenden Mut zu. Jeder Mann, der die Nacht überstanden hatte, war ein Held, und jeder Gefallene wurde mit den höchsten Ehren bedacht.
Der Innenhof der Festung wurde zu einem Ort des stillen Gedenkens, als die Körper der Toten aufgebahrt wurden. Aramis stand am Rand und beobachtete, wie die Männer langsam die Namen der Gefallenen aufsagten, ein letztes Mal, bevor sie ihre Kameraden in die Erde legten.
„Möge ihre Opfer nicht umsonst gewesen sein,“ sagte Henri leise, als die ersten Schaufeln Erde auf die Gräber geworfen wurden. Aramis nickte nur, sein Blick war fest auf die Erde gerichtet, die die Körper seiner gefallenen Kameranden bedeckte.
Als die letzten Gräber geschlossen waren, herrschte eine düstere Stille über Vedette. Doch in dieser Stille lag auch eine neue Entschlossenheit. Die Männer hatten gekämpft und gesiegt, aber sie wussten, dass der Kampf noch lange nicht vorbei war. Doch für diesen Moment, in diesem ersten Licht des neuen Tages, waren sie einfach nur Überlebende, die sich von der Schlacht erholten.
Aramis, erschöpft und von den Ereignissen der Nacht und schwer gezeichnet, wandte sich zum Ausgang des Innenhofs. Henri legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ruhe dich aus, Aramis,“ sagte er leise. „Es wird noch genug Kämpfe geben. Aber für heute haben wir gewonnen.“
Aramis nickte müde, doch er wusste, dass dieser Sieg nur ein kleiner Schritt auf dem langen Weg war, der vor ihm lag. Doch für heute würde er sich ausruhen, seine Kräfte sammeln und der Herrin vom See für ihren Schutz danken. Der nächste Tag würde neue Herausforderungen bringen, aber für den Moment konnte er Frieden finden.
Reflektionen im Licht des neuen Tages
Ein Tag war vergangen, seitdem die Verteidiger von Vedette den feindlichen Angriff zurückgeschlagen hatten. Die Wunden waren frisch, doch die unmittelbare Bedrohung war fürs Erste gebannt. Über dem Hof lag eine gedämpfte Stille, die nur vom Flügelschlag eines Falken unterbrochen wurde, der hoch oben über der Festung kreiste.
Aramis stand mit Henri und dem Junker de Fréne auf der Mauer von Vedette, den Blick auf das weite Land gerichtet, das sich vor ihnen erstreckte. Die Festung, die einen Tag zuvor noch vor Leben und Tod getobt hatte, wirkte nun fast friedlich, als ob sie selbst eine Atempause nach der Schlacht nahm.
„Es war eine schreckliche Nacht,“ sagte de Fréne schließlich, seine Stimme rau von den Anstrengungen und Verlusten. „Aber wir haben überlebt, und Vedette steht noch. Das ist mehr, als ich zu hoffen gewagt habe.“
Aramis nickte, seine Hände um das kalte Steinwerk der Mauer gelegt. „Ja, wir haben überlebt,“ wiederholte er. „Aber die Narben dieser Schlacht werden uns noch lange begleiten.“
Henri, strich sich das wirre Haar aus dem Gesicht und seufzte. „Die Bedrohung mag für den Moment abgewehrt sein, aber wir wissen, dass dies nur der Anfang war. Die Verschwörung, um Toussaint zu destabilisieren, reicht tief.“
De Fréne blickte zu dem jungen Hauptmann hinüber, seine Augen verengt. „Ihr habt recht, Henri. Dies war nicht einfach ein gewöhnlicher Banditenangriff. Die Männer, die wir gefangen genommen haben, und insbesondere der Nilfgaarder Offizier – das ist kein Zufall. Hier steckt mehr dahinter, als wir uns vorstellen können.“
„Die Politik ist nun am Zug,“ sagte Aramis nachdenklich. „Wir haben unseren Teil getan, indem wir Vedette gehalten haben. Jetzt müssen der Herzog und seine Berater diesen Vorfall untersuchen und die Gefahr an der Wurzel packen.“
Aramis‘ Gedanken wanderten zu den kommenden Tagen. „Wir sollten keine Zeit verlieren,“ sagte er. „Der Offizier muss nach Beauclair gebracht werden.“
„Ich werde dafür sorgen, dass er sicher dorthin gelangt,“ sagte Henri. „Ich werde ihn zusammen mit einigen meiner besten Männer eskortieren. Wir dürfen keine Risiken eingehen.“
De Fréne nickte zustimmend. „Das ist weise. Ich werde hierbleiben und sicherstellen, dass Vedette wiederaufgebaut wird. Diese Festung wird nicht noch einmal so leichtfallen.“
Aramis blickte zu Henri und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Sei vorsichtig, Henri. Die Straßen nach Beauclair sind nicht mehr so sicher wie früher. Diese Verschwörer haben vielleicht noch weitere Pläne in der Hinterhand.“
Henri lächelte schwach. „Ich werde auf der Hut sein.“
„Mögen die Götter und die Herrin vom See über uns wachen,“ murmelte de Fréne, während er in die Ferne blickte, wo der Horizont sich im Morgennebel verlor.
Aramis und Henri standen eine Weile schweigend nebeneinander, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft. Schließlich war es Aramis, der das Schweigen brach. „Wir haben die Pflicht, weiterzukämpfen, ob auf dem Schlachtfeld oder in den Hallen der Macht. Wir schulden es den Männern, die hier gefallen sind.“
„Das tun wir,“ stimmte Henri zu. „Und wir werden dafür sorgen, dass ihr Opfer nicht umsonst war.“
Mit diesen Worten wandte sich Henri ab, bereit, seine Männer für die Reise nach Beauclair zusammenzurufen. Aramis sah ihm nach, dann blickte er erneut über die Mauern von Vedette hinaus. Die Welt mochte ruhig erscheinen, aber er wusste, dass dies nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm war.
Wege der Pflicht
Zwei Wochen waren seit der Schlacht vergangen. Die Morgensonne hing tief über den Hügeln, als Aramis seine Ausrüstung zum letzten Mal überprüfte. Die Festung Vedette hatte ihre Narben davongetragen, doch die Mauern standen noch, und der Lebenswille ihrer Verteidiger war ungebrochen. Doch für Aramis war es nun an der Zeit, seine eigene Reise fortzusetzen. Die ersten Schritte auf dem Weg eines fahrenden Ritters waren steinig und blutig gewesen, doch er hatte überlebt – und dabei mehr gelernt, als es ihm lieb war.
Henri, der junge Hauptmann, dessen Geschick und Mut ihm in der Schlacht das Leben gerettet hatten, trat an seine Seite. Die beiden Männer wechselten einen ernsten Blick, der mehr Worte als jede lange Rede bedeutete. „Du gehst schon?“ fragte Henri, obwohl die Antwort klar war.
Aramis nickte. „Meine Quest ist noch lange nicht zu Ende. Es gibt noch viel zu tun, und ich kann nicht einfach nach Hause zurückkehren, bevor ich das erreicht habe, wozu ich aufgebrochen bin. Aber du, Henri…“ Er zögerte, seine Worte sorgfältig wählend. „Du hast hier eine Aufgabe. Vedette braucht dich, und es braucht einen Führer wie dich, um sicherzustellen, dass es nicht noch einmal so nahe am Fall steht.“
Henri zögerte kurz, bevor er sprach, als ob er einen Entschluss in sich festigen musste. „Aramis, bevor du gehst… Es gibt etwas, das du wissen solltest.“ Seine Stimme war leise, aber ernst. „Mein Name… ist nicht nur Henri. Ich bin der Sohn von Junker de Fréne, dem Herrn über das Lehen hier in Toussaint.“
Aramis hob überrascht die Augenbrauen. „Junker de Fréne? Der alte Ritter, der den Ruf hat, seine Ländereien mit harter Hand zu führen?“
Henri nickte, doch in seinem Blick lag keine Arroganz, nur Entschlossenheit. „Ja. Aber das wissen nur mein Vater und ich. Die Männer hier kennen mich nur als Henri, und das soll so bleiben. Ich wollte mir ihren Respekt verdienen, nicht durch meinen Namen, sondern durch meine Taten.“
Aramis betrachtete ihn für einen Moment nachdenklich, dann nickte er langsam. „Das erklärt einiges… Warum du in so jungen Jahren schon eine solche Verantwortung trägst. Aber es zeigt auch deinen wahren Charakter. Du hast dir die Achtung deiner Männer bereits verdient, nicht durch den Namen deines Vaters, sondern durch den Mut, den du gezeigt hast.“
Henri lächelte schwach, doch ein Funke von Stolz flackerte in seinen Augen auf. „Ich werde bleiben und tun, was ich kann. Die Menschen hier brauchen Schutz, und ich werde dafür sorgen, dass Vedette bereit ist, wenn die nächste Herausforderung kommt. Aber mein Name soll hier kein Gewicht tragen – das ist ein Geheimnis, das nur du nun kennst.“
Aramis legte ihm die Hand auf die Schulter. „Dein Geheimnis ist bei mir sicher, mein Freund. Du wirst Vedette zu einem Ort machen, den niemand so leicht einnimmt, da bin ich sicher.“
Henri lachte leise und schüttelte den Kopf. „Vielleicht. Aber ich werde nie vergessen, wer mir den Mut gegeben hat, in dieser Nacht standhaft zu bleiben. Wenn der Tag kommt, an dem unsere Wege sich wieder kreuzen, werden wir als Brüder im Geiste kämpfen.“
„Bis dahin, mein Freund,“ sagte Aramis und streckte Henri die Hand entgegen. Die beiden Männer tauschten einen festen Händedruck aus, ein Versprechen, das tiefer reichte als jedes gesprochene Wort.
„Mögen die Herrin vom See über dich wachen, Aramis du Lac,“ sagte Henri, als Aramis auf sein Schlachtross Berek stieg. „Und möge deine Quest dich zu dem Ruhm und der Ehre führen, die du verdienst.“
Aramis nickte und wandte sich dann ab, die Zügel locker in der Hand. Der Wind strich sanft durch sein Haar, als er sein Ross in Bewegung setzte. Das leise Hufgetrappel vermischte sich mit dem Morgenlied der Vögel, und bald war Aramis nur noch eine Silhouette am Horizont, die sich in die Ferne verlor.
Henri blieb noch einen Moment stehen, seine Gedanken bei dem Freund, den er auf unbestimmte Zeit verabschieden musste. Er wusste, dass dies nicht das Ende ihrer gemeinsamen Geschichte war. Aramis war ein Mann, dessen Schicksal ihn auf große Wege führte, und Henri würde seinen eigenen Weg nicht weit davon entfernt finden.
Als Aramis schließlich außer Sicht war, drehte sich Henri um und kehrte zurück in die Festung. Die Nachwirkungen der Schlacht waren noch überall spürbar, aber die Männer hatten neue Hoffnung. Gemeinsam mit den Überlebenden würde Henri Vedette wieder aufbauen und es zu einer uneinnehmbaren Bastion machen, die den Namen Toussaints mit Stolz tragen konnte.