5 Jahre war er nun ein königlicher Jäger, ein “Ungeheuer Jäger” wie die einfachen Leute ihn hier nannten. Heute war sein letzter Tag in diesem Amt, daß er damals nach dem Krieg antrat, als König Foltest nach mutigen Jägern schickte, die zum Schutz der Bevölkerung beitragen sollten. Viele Ungeheuer, angelockt von den zahlreichen Leichen der Schlachtfelder, machten dieser Tage der Welt zu schaffen. Nun war es soweit, einen Tag noch und er würde ehrenhaft entlassen werden. Was er dann zu tun gedachte? Nun, so genau wusste das der große Mann auch noch nicht. Er hatte über die Jahre gut verdient und sich ein ordentliches Sümmchen zusammen gespart, so das er durchaus erstmal gut über die Runden kommen würde. Und dann? Irgendwo auf der Welt gab es immer Leute die sich von irgendwelchen “Ungeheuern” bedroht fühlten. In Wahrheit stellten sich viele dieser Kreaturen oftmals als relativ harmlos heraus, so das sein Dienst tatsächlich gar nicht immer so gefährlich war, wie es den Anschein erwecken könnte. Denn wer schon mal des nachts zwei Waschbären beim Zank um eine abgenagte Hähnchenkeule gehört, aber nicht gesehen hat, weiß wovon die Rede ist.
Die Menschen fürchten sich vor allerlei. Gerade nachts wird eine Maus in der Speisekammer leicht zu einem Untier. Im Winter, wenn die Tiere des Waldes sich näher an die Dörfer wagen hat schon manch ein Bauer sich die Hosen voll geschissen, wenn er auf dem Rückweg vom Stall am Waldrand glühende Augenpaare vernahm, die ihn wie Dolche durchdringen. Das es aber womöglich nur ein selbst verängstigtes Reh war, das kann sich der Bauer beim besten Willen nicht vorstellen, wenn er am nächsten Morgen völlig aufgelöst an die Tür des Jägers klopfte. Ein “Bies” will er gesehen haben. Das sind riesige Hirsch-ähnliche Unholde, mit denen durchaus nicht zu spaßen ist. Die Untersuchung der Gegend zeigt dann aber meistens, dass es sich maximal um einen ausgewachsenen Hirsch gehandelt hat. Aber, was solls, auch sowas bringt ein paar Kupfer in den Beutel des Jägers.
Ganz anders sieht es da mit Wölfen aus. Gerade in den Wintermonaten sind diese ein durchaus ernst zu nehmendes Problem. Zwar wagen sie sich meist nicht bis in die Dörfer, da die Fackeln die die Wege beleuchten sie fern halten, aber manchmal findet sich dann doch ein ausgehungertes Exemplar in einem Schafstall wieder. Sehr zum Ärgernis des Schäfers. Denn hat ein Wolf einmal die scheu verloren, wird er immer wieder kommen. Er tötet dann auch nicht einfach nur um zu fressen, nein…, einmal dem Blutrausch verfallen wird er einem Schaf nach dem anderen die Gurgel herausreißen. So ein Tier in seinem Bau aufzuspüren ist meist eine heikle, wenn auch nicht überaus gefährliche angelegenheit, wenn man richtig vorzugehen weis.
Meist handelt es sich hierbei um Einzelgänger die von ihrem Rudel verstoßen wurden und sich alleine nicht anders zu Helfen wissen. Arme Kreaturen wenn man so will die allerdings auch die scheu vor Menschen verloren haben. Meistens reicht es hier tagsüber ein paar Fallen um den Bau herum auszulegen. Hat sich der Wolf dann erstmal darin verfangen ist es ein leichtes ihm mit einem gezielten Schuss den gar auszumachen. Und schon gibt es eine glücklichen Schäfer mehr.
Natürlich gab es durchaus auch etliche gefährliche Aufträge, aber dafür musste der Jäger nicht zwangsläufig immer seinen eigenen Kopf hinhalten.
So erinnerte er sich gerade, als er, noch mehr verschlafen als wach, in aller Früh auf der Terrasse vor seiner kleinen Hütte am Rande von Dreibirken saß, an einen Gabelschwanz der die Gegend unsicher machte. Dieses Untier hatte schon ganze Schafherden zerfleischt und einige arglose Reisende auf dem Händlerweg getötet. Da er nicht lebensmüde war heftete er in solch einem schweren Fall Zettel an die Anschlagbretter der Dörfer und Schenken, mit dem Gesuch nach mutigen Männern die ihm helfen sollten, das Biest aufzustöbern und zur Strecke zu bringen.
Die meisten Leute in der Gegend hatten wenig und waren gerne bereit sich dem Jäger für ein paar Orens anzuschließen. Reynek verließ sich hier meist auf seine schwere Armbrust und einen gezielten Schuß auf eine der Schwachstellen der Kreatur. Einmal am Boden vollenden dann Spere und Piken die Arbeit. Zur Not würden es vermutlich auch ein paar Mistgabeln und schwere Dreschflegel tun. Leider kann man sich aber nicht immer die Hilfe aussuchen, die man eigentlich bräuchte…
Immer wieder gab es Übermütige, die sich zeitweise auch alleine am Erfüllen eines solchen Auftrages versuchten. Meistens endete das blutig, und das nicht unbedingt für die zu erledigende Bestie. Geprahlt haben sie in den Schenken, das sie auf die Jagd gehen werden, das sie wie Helden mit dem Kopf der Bestie unter dem Arm zurückkehren werden, das man Lieder über sie schreiben werde… Betrunken waren sie und immer hat der Jäger sie davor gewarnt alleine loszuziehen… Wie oft er sich dann das gezeter verzweifelter Witwen oder Mütter anhören musste… Nun ja, solche Dummköpfe werden wohl niemals aussterben.
Ein Glücksfall war es wenn zufällig ein Hexer in der Gegend war, der sich dann den besonders schweren Aufträgen annehmen konnte. Hexer, das waren diese “Mutanten”, die bei den einfachen Leuten keinen allzu guten Ruf hatten. Er aber kam mit den meisten dieser Zunft ganz gut aus, schließlich nahmen sie ihm die für ihn höchst gefährliche Arbeit ab. Mit der Bezahlung war es natürlich immer so eine Sache, Hexer sind harte Verhandlungspartner, aber meistens konnte er etwas Aushandeln, so das ihm selbst auch noch etwas übrigblieb.
Die kühle Morgenluft holte ihn aus seinen Erinnerungen. Er nahm einen großen Schluck des heißen Getränks in seiner Hand. Eine Mixtur aus Kräutern, die ihm die Lebensgeister in die müden Glieder zurucktrieb. Einmal noch, dachte er, würde er seinen alltäglichen Rundgang durch die Dörfer antreten und sich die Sorgen und Ängste der Bewohner anhören, bevor er seinen Posten an einen Nachfolger übergab.
Nach einem kurzen Frühstück warf er sich in seinen mit Nieten besetzten Lederwams, den er wie immer sorgfältig verschnürte. Eine gute Bewegungsfreiheit war ihm mitunter das wichtigste, weswegen er auch auf Rüstung verzichtete. Einzig zwei mit Metallstreifen verstärkte Armschienen aus dickem gehärtetem Leder streifte er sich über die Unterarme. Sollte ihn doch mal eine Kreatur unvorbereitet anspringen, so konnte er ihr wenigstens den Arm zwischen die Kiefern klemmen. Dem Aussehen nach schien das auch schon des öfteren vorgekommen zu sein.
Als Bewaffnung trug er ein einfaches stählernes Langschwert welches er beim Antritt seines Dienstes als königlicher Jäger erhalten hatte und einen langen Dolch. Seine wichtigste Waffe war allerdings eine schwere Armbrust. Diese zu spannen verlangte einiges an Kraft und war nur möglich wenn man mit dem Stiefel fest in den am Bogen angebrachten Steigbügel trat und die Sehen dann mit aller Kraft nach oben in die dafür vorgesehene Kerbe zog. Es war bei weitem keine schnelle Waffe und in der Schussfrequenz jedem Bogen weit unterlegen, aber die Durchschlagskraft machte das wieder wett, vorausgesetzt man traf sein Ziel. Darauf aber legte es der Jäger an. Eine Armbrust war einfach leichter zu bedienen als ein Bogen und hat seine Vorteile. Einmal gespannt war der erfahrene Jäger innerhalb von bruchteilen einer Sekunde bereit den tödlichen Schuss abzugeben. Sollte dieser sein Ziel verfehlen blieb ihm immer noch das Schwert. Dieses war zwar immer seine zweite Wahl, aber auch damit wusste er durchaus umzugehen wenn es darauf ankam.
Zu guter letzt streifte er sich noch seine Grüne Wollgugel über die ihn vor dem harschen Klima hier im Norden schützte, setzte seinen Filzhut auf und hängte sich einen Beutel mit frischen Bolzen über die Schulterl. Als er das Wappen mit den drei silbernen Lilien an seinem Hut berührte überkamen in wieder Erinnerungen an früher. Wahrscheinlich lag es an diesem besonderen Tag heute, das ihm so vieles aus alten Tagen wieder in den Sinn kam. Diese Erinnerungen allerdings erfüllten ihn mit Schwermut und er seufzte.
Er musste an den Krieg denken den Nilfgaard über seine Heimat gebracht hatte. Viele Freunde und Verwandte hatte er in dieser Zeit verloren. Die “schwarzen” wie sie hier genannt wurden führten ihren Eroberungskrieg mit schonungsloser Härte. Bis zu jenem Frühjahr vor ziemlich genau 5 Jahren, als sich die nördlichen Königreiche gemeinsam dem Feind aus dem süden bei Brenna stellten. Reynek wurde damals wie viele aus seiner Gegend in die Temerische Armee eingezogen. Nach einer kurzen Grundausbildung, die eher eine “Formsache” als wirklich von nutzen war, diente er im III. Temerischen Schützenregiment. Bei der Schlacht um Brenna war eben jenes Regiment für die Sicherung der rechten Flanke zuständig. Mit ihren Pfeilen sollten sie die Nilfgaarder Hurensöhne von den Seiten bedrängen um sie mehr in der Mitte des Schlachtfeldes zu halten um der eigenen Kavallerie und Infantrie somit einen Vorteil zu verschaffen. Mit dem Wald im Rücken hatten sie zudem einen vorteilhaften Platz um sich jederzeit vor der berüchtigten gegnerischen Reiterei zwischen die Bäume zurückzuziehen zu können. Geschützt wurden die Schützen wiederum von Waffenknechten mit langen Piken. Als die Schlacht begann verlief vorerst alles wie geplant, doch ausgerechnet der vermeintliche Vorteil des Waldes wurde schnell zu ihrem Verhängnis als ihne unvermittelt Elfen Kommandos, die “Scoia’tael”, aus eben jenem Unterholz in den Rücken vielen. Bevor die verbündeten Waffenknechte auch nur reagieren konnten, war ein heilloses Gemetzel in den Reihen der Schützen ausgebrochen. Verzweifelt warfen die Schützen ihre Bögen zur Seite und zogen ihre Langen Messer, Äxte oder was sie sonst als Seitenwehr so bei sich trugen um sich gegen die deutlich besser im Nahkampf ausgebildeten Scoia’tael zur wehr zu setzen. Die Anführer brüllten ihre Befehle und so langsam gelang es, eine halbwegs geordnete Formation einzunehmen. Sie hielten tapfer Stand und nach schier endloser Zeit zogen sich die Elfen in den Wald zurück. Genau in diesem Moment durchbrach die schwere Reiterei der Brigade „Vrihedd“, ebenfalls elfischer Abschaum der sich Nilfgaard angeschlossen hatte, die Flanke der Hauptarmee und preschte den Hügel hinauf, mit dem einzigen Ziel, den ohnehin schon geschwächten Haufen unter ihren Hufen zu zermalmen. Erneut brach heilloses Chaos aus.
Die Waffenknechte rammten ihre Piken in den Boden mit der Hoffnung so einen Teil der Reiterei aufzuhalten, allerdings vergebens. Die gut gepanzerten Rösser durchbrachen den Stacheligen Wall als seien es einfache Zahnstocher. Sie pflügten durch die Reihen, machten kehrt und wiederholten ihr Manöver ein ums andere Mal, bevor sie endlich ins Stocken kamen. Die Luft war erfüllt vom gestank nach Blut, Matsch und Eingeweiden. Die Schreie seiner Landsleute, die mit zertrümmerten Knochen im Dreck lagen, gingen ihm durch Mark und Bein. Er selbst war gestürzt und fühlte, wie sich sein linker Arm ganz warm anfühlte. Ein Blick genügte und er sah das weiß seines Unterarmknochen aus seinem zerrissenen Wams ragen. Übelkeit überkam ihn und er kehrte sein inneres nach außen. Kaum war er wieder halbwegs auf den Beinen, bebte der Boden erneut und die Reiter waren daran, ihr Werk zu vollenden. Dem Mann vor ihm wurde von einem Kriegshammer der Schädel zertrümmert. Durch die wucht des Schlages wurde dieser arme Kerl wie eine Strohpuppe herumgewirbelt, so das sein Arm, der in einem Panzerhandschuh steckte Reynek direkt zwischen die Augen traf. Schlagartig wurde es dunkel und er schien endlos zu fallen. Den Aufschlag am Boden bekam er aber nicht mehr mit.
Wahrscheinlich hatte ihm das sein Leben gerettet. Das nächste, woran er sich erinnern konnte, war, dass er mit unendlichen Schmerzen in Arm und Kopf in einem Feldlazarett zu sich kam. Der Arzt war gerade dabei, unter üblen Flüchen seinen Knochen wieder an die richtige Stelle zu pressen, als ihm auch schon wieder Schwarz vor Augen wurde. Als er abermals wach wurde, fand er seinen Arm in einem dicken Verband wieder. Blut drückte durch das helle Leinen und er vermochte nicht, ihn zu bewegen. So stechend war der Schmerz. Ihm blieb wohl nichts anderes als liegen zu bleiben. Er fragte seinen Bettnachbarn, was passiert sei. Dieser erzählte ihm, dass die Schlacht schon beinahe verloren war, als ein riesige Streitmacht redanischer Ritter über die Hügel geprescht kam. Mit deren Hilfe war es nun ein leichtes die völlig überraschten Nilfgaarder in die Zange zu nehmen und somit vernichtend zu schlagen. Die Schlacht war gewonnen, der verhasste Feind tatsächlich besiegt. Vorerst…
Ihn schauderte und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Gleichzeitig spürte er ein stechendes Gefühl in seinem Arm. Er rieb die stelle an der der Knochen sich damals durch die Haut gebohrt hatte. Was für ein Glück er doch gehabt hatte.
Er schüttelte sich, ging zum Brunnen und klatschte sich eine Hand voll kaltes Wasser ins Gesicht, welches seine Lebensgeister zurückholte und die düsteren Erinnerungen weg wusch. Er musste jetzt seine Runde antreten.
In der Schenke “Zum wilden Wiesel”, als er gerade dabei war das Anschlagbrett zu studieren, kam ihm eine verstörte Frau entgegen die Leichenbleich aussah. Kein Auge habe Sie in der Nacht zugetan erzählte sie ihm völlig aufgelöst. Sie war die Magd des Müllers und schlief für gewöhnlich immer in einer Kammer oben in der Mühle. Heute Nacht aber war es anders als sonst. Überall um die Mühle war ein ächzen und schlurfen zu hören. An der Tür habe es gekratzt. Sie war erstarrt vor Angst, saß im Nachthemd auf ihrem Bett und betete zu Melitele sie solle sie beschützen, vor was auch immer da draußen war. Heute morgen traute sie sich kaum die Treppe hinunter, geschweige denn zur Tür hinaus. Aber was blieb ihr anderes übrig, der Müller konnte ganz schön unangenehm werden. Der erfahrene Jäger hatte schon so eine Ahnung, lies sich aber dennoch von der eigentlich recht hübschen Frau zur Mühle führen. Dort angekommen begann er gleich mit der Suche nach möglichen Spuren, welche er auch wie vermutet recht schnell fand. Es waren Fußabdrücke von nackten Füßen, allerdings mit Schwimmhäuten zwischen den Zehen, wie es den anschein hatte. Sie führten vom Mühlbach zur Mühle und auch wieder zurück. Somit wurde sein anfänglicher Verdacht bestätigt, dass es sich um Ertrunkene handeln musste. Drei dieser Kreaturen trieben hier wohl gestern Nacht ihr Unwesen. Hunger wird sie aus dem nahen Fluss getrieben haben doch die Holzwände und Türen der Mühle, welche deutliche Kratzspuren der Klauenbewehrten Finger aufwiesen waren zu robust gewesen so das sie sich wieder in ihr feuchtes Heim zurückzogen. Ertrunkene stellten für den Jäger eigentlich keine große Bedrohung mehr da, vor allem wenn es sich nur um ein paar handelte. Unzählige hatte er in den letzten 5 Jahren bereits entgültig ins Jenseits befördert.
Man sagt, was immer erhängt wird, sollte nicht ertrinken. Aber unglücklicherweise werden die Leichen Erhängter des öfteren in Seen oder Flüssen entsorgt. Die Schwere Ihrer Taten verurteilt sie, als Ertrunkene zurückzukehren. An Land sind diese dünnen und buckligen Kreaturen mit ihren glupschigen Augen eher unbeholfen. Beim baden sollte man ihnen allerdings lieber nicht begegnen… Im prinzip braucht es für Ertrunkene nur einen guten Köder der mutig genug ist sich in Ufernähe aufzuhalten. Angelockt vom scheinbar wehrlosen Opfer kriechen die Kreaturen aus dem Wasser um sich auf die vermeintlich leichte Mahlzeit zu stürzen. Wie verdutzt sie immer glotzen wenn ihnen ein gefiederter Bolzen aus dem Schädel ragt… Bei mehreren Ertrunkenen, wie auch in diesem Fall kann man aber auch durchaus mit dem Schwert zur Tat schreiten. Noch bevor der erste mit dem Bolzen im Gesicht vollends zu Boden ging, kullern auch schon die Köpfe der beiden anderen, fein säuberlich vom Rumpf getrennt, auf den noch vom Morgentau feuchten Boden. Die Magd, die das Schauspiel aus sicherer Entfernung beobachtet hatte, und nun sichtbar erleichtert war kann ihre Dankbarkeit gar nicht in Worte fassen. Überglücklich bittet sie den Jäger noch herein. Sie hätte noch … ein bisschen Zeit bevor der Müller kommt, und er müsse eh auf ihn warten, wenn er die Belohnung für das Beseitigen der Ungeheuer gleich mitnehmen wollte. Und das war immerhin ein ganzer Silbergroschen. An ihrem leicht verlegen Unterton konnte er außerdem genau erahnen, zu was diese Einladung noch führen würde … ein netter “Nebenverdienst” seiner Arbeit. Er musste schmunzeln und zog die Tür zur Mühle hinter sich zu.
Nun war es kurz nach Mittag und auf seiner weiteren Runde ereignete sich nicht viel aufregendes. Ein Holzfäller sprach von einem riesigen Bären der in der Gegend gesehn worden sei. Reynek konnte ihn aber beruhigen, denn normalerweise griffen Bären, egal wie groß sie waren keine Menschen grundlos an, solange man sie in Ruhe lässt oder sie nicht überrascht. Bei dem Lärm den die Holzfäller aber verursachten war nicht damit zu rechnen das sich auch nur irgendein wildes Tier ihnen nähern sollte.
Als er nun gegen spät Nachmittag die Tore zum Herrschaftsbezirk von Wyzima erreichte war bereits alles in heller Aufregung. Der Jäger wurde sogleich vom Haus und Hofmeister in Empfang genommen. Er war durchaus geschätzt am Hofe, wenngleich er auch selber nie so recht mit dem vornehmen Gehabe des Adels zurecht kam. Er war schon immer ein einfacher Mann gewesen, aufgewachsen in einer kleinen Waldarbeitersiedlung, und höfische Manieren waren das letzte was man ihm beigebracht hatte. Ein gutes Dunkles Bier, von dem es an diesem Abend aber wohl zu genüge geben würde, lehnte er selbstverständlich nie ab, auch wenn er grundsätzlich solche Anlässe, wo sich immer ein Haufen arroganter Schnösel einfand, nicht besonders leiden konnte. Wie sie immer angaben und versuchten sich gegenseitig zu übertrumpfen… Er hasste solche Menschen…
Aber was soll’s dachte er sich und würde wie immer das beste daraus machen.
Letztendlich wurde ihm der neue Jäger vorgestellt. Es war ein kräftiger Bursche mit einem wachen Blick und er hatte keinen Zweifel, dass er ihn gut ersetzen würde. Eigentlich war es ihm aber auch egal, er freute sich einfach darauf, für eine Weile ungebunden durch die Welt ziehen zu können. Sollte sich in Zukunft der Neue mit den Problemen der Leute hier auseinander setzen. Nicht das er seine Aufgabe gehasst hatte, im Gegenteil. Er war stets froh darüber gewesen und hatte über die Jahre einiges an Erfahrung gewonnen.
Er gesellte sich nun zum Tisch an dem sich auch schon seine besten Freunde eingefunden hatten, um mit ihm seinen Abschied zu feiern. Große Tonkrüge, bis zum Rand mit dunklem Bier gefüllt, wurden herbei getragen und die Freunde stießen an. So saßen sie noch lange, als die meisten anderen schon gegangen waren und quatschten und lachten über alte Geschichten. Die fröhlichen natürlich, denn für Trübsal war kein Platz in dieser Nacht. Auf die Frage was er denn nun tun wollte, hatte der Jäger noch keine genaue Antwort. “Nach Novigrad werde er wohl erstmal gehen”, lallte er schon deutlich angetrunken. Vielleicht nach Skellige, die Inseln, die wegen ihrer rauhen Schönheit berühmt waren, wollte er schon immer mal sehen. Oder sogar noch weiter übers Meer. Festlegen konnte er sich da noch nicht.
Als die Sonne schon den Horizont herauf kroch, wankte er, leise ein Liedchen trällernd den Weg zurück zu seiner Behausung. Dort angekommen schaffte er es gerade noch einen Stiefel auszuziehen bevor er sich auf sein Bett warf und sofort unter grunzenden Lauten einschlief. Es war bereits später Nachmittag als er mit dröhnendem Schädel wieder aufwachte. Was für eine Nacht dachte er, und verwünschte das starke Bier das wohl zu maßlos geflossen war. Eigentlich wollte er jetzt schon auf dem Weg nach Novigrad sein. Zu diesem Schluß kam er gestern Nacht nun definitiv, das wusste er noch ganz genau. Da er es aber nun ohnehin vor Einbruch der Dunkelheit nicht mehr schaffen würde, begann er erstmal gemütlich sein Reisebündel zu schnüren. Da er durchaus davon ausging, seinen weiteren Lebensunterhalt mit einfachen Monsteraufträgen zu beschreiten, holte er sein Schwert hervor und betrachtete die Kerben die es über die Jahre bekommen hatte. Als er fertig gepackt hatte, legte er sich nochmal in sein Bett, vermutlich das letzte mal für eine lange Zeit, und schlief, immer noch erschöpft von der letzten Nacht, auch bald wieder ein.
Der nächste Morgen war dann schon wieder deutlich besser und sein Kopf fühlte sich nicht mehr an wie ein Bündel Getreide auf das eingedroschen wird. Am üblichen Platz vor seinem Haus trank er noch eine letzte Tasse des kräftigen Kräutergebräus, bevor er sich auf den Weg machte. Ein guter Freund würde während seiner Abwesenheit auf seinen Besitz acht geben.
Sein treues Pferd “Liška” ein drahtiger Fuchs mit weißen Fesseln und einer auffälligen Blesse scharrte schon erwartungsvoll mit den Hufen. Das intelligente Tier wusste das es auf Reisen ging und nichts liebte es mehr als mit seinem Herr über die einsamen Pfade des nördlichen Temerien zu preschen. Er entschied sich für den Weg entlang des Flusses Pontar. Er hetzte sich nicht, schließlich hatte er nun alle Zeit der Welt und das Geld würde ihm wenn er sparsam lebte eine gute Weile reichen. In einem Wäldchen, etwa einen viertel Tagesritt vor den Toren Novigrad schlug er sein Nachtlager auf. Der Jäger hatte ein kleines Zelt dabei, jedoch entschied er sich heute unter freiem Himmel zu nächtigen. Der Abend war ungewöhnlich mild und Sternenklar. Er versorgte Liška und machte sich daran ein kleines Feuer zu entfachen. Der warme Schein tauchte sein Lager in ein wohliges Licht, er rollte seine Decke aus und setzte sich an einen Baum gelehnt neben die kleinen lodernden Flammen. Aus seinem Bündel holte er ein paar Stücke getrocknetes Wildfleisch und ein kleines Stück Brot. Das genügte ihm und gegen den Durst blieb er heut ausnahmsweise mal bei Wasser. Satt und zufrieden sank er auf seine Decke zurück und blickte in die Sterne.
Am Morgen wachte er schon früh auf und fühlte sich frisch und erholt. Sorgfältig rollte er seine Decke zusammen und schnallte sie auf den abgenutzten aber bequemen Sattel. Er zückte seine Wasserflasche und ging mit ihr zum nahen Bach um sie zu füllen. Gleichzeitig wusch er sich so gut es ging mit dem eisigen Wasser und ging zurück zu Liška um ihr Sattel und Zaumzeug anzulegen. Sanft strich er der Stute über die Nüstern und reichte ihr einen Apfel, der sogleich schmatzend vertilgt wurde.
Der Rest des Weges verlief ohne Probleme, so das er schon gegen Mittag in der belebten Hafenstadt ankam.
Von dort an wanderte er relativ ziellos durch die Welt, hielt sich mit diversen Gelegenheitsjobs über Wasser bis er eines Tages in Toussaint ankam. Dort traf er auf Aramis du Lac, einen Ritter von hoher Geburt und edlem Gemüt. Aramis erkannte das Potenzial in Reynek und bot ihm an, sein Bogenschütze zu werden.
Er zögerte zunächst, doch er spürte eine Verbindung zu Aramis. Er sah in ihm einen wahren Anführer und einen Freund. Er nahm an…